Auch der jüngste OECD-Bericht sieht bei Österreichs Gesundheitssystem viel Luft nach oben. Die Pandemie war keine Ausnahme.
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Österreichs Gesundheitssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mitteleinsatz hoch ist, das Ergebnis aber nur durchschnittlich ausfällt. Im internationalen Vergleich verfügt Österreich über viele Ärztinnen und Ärzte, viele Spitalsbetten und sehr hochwertige technische Gerätschaften. Zudem ist der Zugang zu alldem niederschwellig. Doch bei der Lebenserwartung und der Anzahl gesunder Lebensjahre hat Österreich Luft nach oben. Das offenbart auch der Bericht der OECD "Gesundheit auf einem Blick".
Die Pandemie ergab ein ähnliches Ergebnis. In den Jahren 2019 bis 2021 nahm die Lebenserwartung trotz vergleichsweise restriktiver Maßnahmen um 0,7 Jahre ab. Das ist zwar weniger als im EU-Durchschnitt (1,2 Jahren), es sind jedoch ausnahmslos ärmere Staaten, die schlechter abschnitten. Die bulgarische Bevölkerung verlor in diesem Zeitraum sogar 3,7 Lebensjahre. In Schweden, Dänemark und Finnland ging die Lebenserwartung kaum zurück.
Bei der psychischen Gesundheit zeigen die Daten eine überproportionale Verschlechterung bei Jugendlichen während der Pandemie. Eine Korrelation zu der Härte der Corona-Maßnahmen geht aus diesen Zahlen nicht hervor. Norwegen und Schweden liegen, wo es weniger Einschränkungen gab, nicht besser.
Die OECD spricht in ihrem Bericht von "überwältigeneder Evidenz", dass die Psyche der Jugendlichen in besonderem Ausmaß gelitten hat. Alarmierend ist, dass auch jüngere Daten wenig Verbesserung zeigen, was laut OECD das Zusammenwirken mehrerer Krisen (Krieg, Klimawandel, Inflation) reflektieren könnte.
Weniger Spitalslastigkeit
Die Stärkung der kassenfinanzierten psychosozialen Versorgung ist ein Ziel der Bundesregierung, die sich sogar eine Bedarfsdeckung vorgenommen hat. Die gibt es bisher nicht. Seit der Gesundheitsreform 2013 wird außerdem angestrebt, den ambulanten Bereich in der gesamten Versorgung zu stärken, um das System nachhaltig finanzieren und erhalten zu können. Bereits jetzt können wegen Personalmangels nicht alle Spitalsbetten verwendet werden.
Fortschritte dahingehend gab es, aber sie waren klein. Die laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich will Gesundheitsminister Johannes Rauch für eine größere Reform nützen. Doch selbst Rauch ist skeptisch, dass es gelingt, zumal die Zeit knapp ist.
Auch die Daten der OECD weisen Österreich als ein Land aus, dessen Gesundheitssystem besonders spitalslastig ist. Gleichzeitig, so berichtet auch Francesca Colombo, die Leiterin der OECD-Gesundheitsabteilung, gebe Österreich relativ wenig für Prävention aus, bei der Gesundheitskompetenz sind auch Defizite zu sehen.
Vereinfacht gesagt, lebt man in Österreich ungesünder als in vergleichbaren Ländern, nimmt seltener Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch, im Fall einer Erkrankung wird dann aber auf das volle Angebot der Diagnostik zurückgegriffen. In keinem anderen OECD-Land werden so viele CT- und MRT-Untersuchungen durchgeführt wie in Österreich.
Was die Daten auch zeigen: Eine signifikante Verlagerung der Patienten aus den Krankenhäusern in die niedergelassene Versorgung fand fast nirgendwo statt - mit zwei Ausnahmen, nämlich in den Niederlanden und besonders stark in Finnland. Den Finnen gelang vor Jahren eine große Reform. Und Österreich?(sir)