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Hohe Kosten, wenig Wirkung - oder doch eine Weltregierung?

Von AnalyseGeorg Friesenbichler

Analysen

Wegen der "horrenden Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, für Reise- und Unterbringungskosten der Delegationen sowie der zeitlichen Bindung von Humanressourcen" müsse man fragen, ob solche Großveranstaltungen noch zeitgemäß sind, meinte die Hilfsorganisation "Care". Diese Meinung konnte man in der Diskussion um den Gipfel der "Gruppe der 8" in Deutschland dauernd hören, begleitet von der Frage, ob die bescheidenen Resultate den Aufwand rechtfertigen. Auch der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmid sieht in den Treffen, die er 1975 mit aus der Taufe hob, "nur noch ein großes Medienspektakel".


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Ganz anders sieht dies Professor John Kirton von der Universität von Toronto, wo sich eine Forschungsgruppe mit der G-8 beschäftigt. Er nennt als einen der ersten Erfolge der damals noch Sieben, dass man 1976 durch finanziellen Druck Kommunisten aus der italienischen Regierung heraushalten konnte. Als den größten Erfolg bezeichnet er die nachträgliche Zustimmung zu einer militärischen Lösung im Kosovo. Vor dem Gipfel 1999 seien es die G-8-Außenminister gewesen, die als Basis für eine UNO-Resolution einen Friedensplan für den Kosovo und den Abzug der serbischen Truppen vorsahen.

Für Kirton ist der flexiblere, direktere und billigere Zugang zu wichtigen Themen der Vorteil der G-8 gegenüber den Vereinten Nationen. Der Wissenschaftler sieht darum in der Gruppe ein Beispiel für "global governance" - und trifft sich in diesem Punkt mit den meisten Gegnern der G-8. Während Kirton die G-8 beispielhaft findet, sehen Globalisierungskritiker in ihr "eine Institution ohne Legitimation", stand in dem Demonstrationsaufruf für Rostock. "Dennoch trifft sie als selbsternannte informelle Weltregierung Entscheidungen, die die gesamte Menschheit betreffen", hieß es weiter.

Damit überschätzen aber sowohl Befürworter wie Kirton, der selbst die Auflösung der Sowjetunion noch der G-8 zugute rechnet, wie auch die Gegner die Bedeutung solcher Treffen. Es stimmt schon: Hier sitzen die Länder zusammen, in denen zwei Drittel des Welt-Bruttonationalproduktes entstehen, obwohl in ihnen nur 14 Prozent der Weltbevölkerung leben. Auf den ersten Blick also ein klarer Fall: Die Reichen bestimmen über die Armen.

Die geringen Erwartungen, die an die Begegnung von Heiligendamm geknüpft werden, demonstrieren aber auch die Uneinigkeit der Reichen untereinander. Dass nun auch der US-Präsident den Klimaschutz als Thema überhaupt anerkennt, ist ein sehr bescheidener Erfolg - und er ist nicht dem Druck europäischer Politiker, sondern dem seiner Landsleute zu verdanken.

Manche Beobachter sehen darin ein Signal dafür, dass die kritische Öffentlichkeit als unsichtbarer Gast schon bei den Treffen mit am Tisch sitzt. Auch Rocksänger und Afrika-Helfer Bono will sich zunutze machen, dass hier wichtige Menschen zum Reden zusammenkommen - viele von ihnen heuer übrigens zum ersten (wie Frankreichs Sarkozy) oder zum letzten Mal (wie Tony Blair oder Wladimir Putin). Bono setzt auf Beeinflussung in seinem Sinne. In diesem Punkt stimmt er mit dem SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier überein, der schrittweise die Globalisierung gerecht gestalten will.

Viele Globalisierungskritiker meinen hingegen, die G-8 sei schlicht überflüssig. Damit würden sie sich allerdings selbst eines großen Forums berauben. Denn wo sonst, außer bei Treffen von Weltbank und Weltwährungsfonds, können sie sonst noch so breitenwirksam demonstrieren, dass sie die Weltordnung für eine ungerechte halten?