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Hohe Produktivität -das Geheimnis der fundamentalen Stärke Österreichs

Von Anton Kausel

Wirtschaft

Es ist ein seltsames Phänomen, dass die heimische Wirtschaftsleistung auf allen Ebenen in der Regel schwächer eingeschätzt wird, als sie tatsächlich ist und als sie sich oft Jahre später in der Endabrechnung darbietet. Dieses Phänomen hat eine einzige Wurzel, nämlich die Negierung unserer überlegenen Produktivitätsfortschritte im internationalen Vergleich. Diese sind lang- und mittelfristig größer als jene im Einkommensvergleich. Das bedeutet, dass wir nicht über, sondern unter unseren Verhältnissen leben mit dem Ergebnis einer nachhaltigen Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit.


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Dieser Befund lässt sich überzeugend dokumentieren mit den derzeit günstigsten Lohn-Stückkosten und der höchsten Preisstabilität seit 50 Jahren, dem höchsten Marktanteil am Weltexport aller Zeiten, sowie dem seit der Monarchie erstmalig gelungenen Ausgleich der Handelsbilanz. Ein solcher war sogar zu Zeiten des "Wirtschaftswunders" noch unvorstellbar.

Wirtschaftswachstum

Die seit der Jahrhundertwende von außen aufgezwungene Wachstumsschwäche, die laut den neuesten Prognosen der Wirtschaftsforscher nunmehr durch einen neuen Aufschwung abgelöst werden sollte, war in Wirklichkeit weit weniger gefährlich als befürchtet. In allen drei Flautejahren 2001 bis 2003 wurden die Wachstumsraten unterschätzt, sie liegen auch signifikant über dem EU-Durchschnitt.

Auch für das abgelaufene Jahr erscheint eine deutliche Revision in Sichtweite. Die vorläufige Schätzung von kaum 1% real und 2,5% nominell für das BIP ist nämlich mit den Mehrerträgen von jeweils 4,6% (bis Ende Oktober) an Lohn- und Mehrwertsteuer total unvereinbar. Das bedeutet, dass Österreich im internationalen Wettbewerb nicht nur nichts an Boden verloren hat, sondern dass es im konjunkturellen Wellental, relativ gesehen, noch erfolgreicher ist als in jeder Hochkonjunktur. Gemessen am aussagekräftigsten Indikator überhaupt, dem realen Pro-Kopf-Einkommen, rückt Österreich in der Hierarchie der reichsten Industrienationen immer weiter in die Spitzengruppe vor. Die wenigen Länder die heute noch voranliegen, haben ihren Vorsprung zum Teil oft stark eingebüßt. So vor allem der Spitzenreiter USA von 36% (1990) auf bloße 24%.

Die Schweiz und Dänemark liegen mit nur noch 2 bis 3% in Reichweite. Die einstigen Vorbilder Holland, Finnland und Schweden haben zuletzt einiges von ihrem Nimbus verloren. Holland wurde bereits überholt und Finnland und Schweden können ihren klaren Rückstand hinter Österreich von 8 bis 10% kaum noch spürbar verringern. Gegenüber dem gesamten EU-Raum hat Österreich seinen Vorsprung immer weiter ausgebaut u. zw. von 8% (1990) und 11% (1995) auf zuletzt 13%.

Preisstabilität

Das klassische Wirtschaftsziel einer optimalen Preisstabilität wird seit dem EU-Beitritt mit 1,4% p. a. in einer nahezu perfekten Weise verwirklicht und zwar erfolgreicher als in allen Dekaden seit Mitte der 50er-Jahre. Mittelfristig liegt Österreich damit im EU-Spitzentrio.

Arbeitsmarktlage

Weniger eindrucksvoll gestaltet sich die Beschäftigungslage, weil unsere Ansprüche seit jeher höher lagen als anderswo. Dennoch können 98% aller Länder der Welt Österreich um seine Arbeitsmarktlage nur beneiden. EU-weit weist nur Luxemburg eine etwas niedrigere Arbeitslosenrate aus als Österreich mit seinen 4,5%. Das "Polder-Modell" Holland wird soeben übertroffen. Dazu kommt, dass unsere Arbeitslosigkeit seit dem Konjunktureinbruch 2001 zwar wieder mäßig ansteigt, aber trotzdem noch immer nicht höher liegt als vor 5 Jahren bei damals noch viel besserer Konjunkturlage. Qualitativ ist die Arbeitsmarktlage noch besser als quantitativ, weil sich seither die mittlere Dauer der Arbeitslosigkeit von 5 Monaten auf 3 Monate verringert hat. Zur Vollbeschäftigung (3%) fehlen nur noch mäßige 1,5%-Punkte.

Leistungsbilanz

Noch nie seit 1912 war Österreich einer strukturellen Aktivierung seiner Handels- als auch Leistungsbilanz so nahe wie gerade jetzt an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Besonders sensationell vollzieht sich die Aktivierung der chronisch defizitären Handelsbilanz dank einer enormen technologischen Strukturverbesserung in Kombination mit nahezu optimalen Lohn-Stückkosten zufolge hoher Produktivität. Das früher oft als kritisch beurteilte Handels- und Leistungsbilanzproblem kann damit wohl endgültig ad acta gelegt werden.

Staatshaushalt

Nicht zuletzt steht auch die endgültige Sanierung der Staatsfinanzen, auch ohne Radikalkuren, vor einem krönenden Abschluss. Stärker als in fast allen anderen Ländern profitiert die Finanzpolitik schon seit 1995 von der fast schmerzlosen Absenkung der Ausgabenquote ausschließlich durch Ausschöpfung unseres hohen Produktivitätsfortschrittes und ohne Anhebung der Einnahmenquote. Trotz Konjunkturflaute gelang es erstmalig seit vielen Jahrzehnten ausgeglichene Budgets zu realisieren. Auch für 2003 zeichnet sich jetzt schon eine neuerliche Verbesserung der Finanzlage ab, die den Spielraum für die beschlossene Steuerreform erweitern könnte.

Noch nie in unserer Wirtschaftsgeschichte standen die Vorzeichen für eine gleichzeitige und optimale Realisierung aller klassischen Wirtschaftsziele des "magischen Polygons" wie überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, hohe Preisstabilität, niedrige Arbeitslosigkeit und gute Beschäftigungslage, problemlose Leistungsbilanz, gesunde Staatsfinanzen, möglichst egalitäre Einkommensverteilung und höchste Lebensqualität so günstig wie gerade jetzt. In jedem einzelnen dieser Kriterien wird Österreich nur von ganz wenigen Ländern übertroffen. Die hohe Produktivität ist der wahre Schlüssel für unsere große Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt im gesamten Produktionssektor, sowie im Bereich der Staatsfinanzen. Die gezielte Nicht-Weitergabe des Produktivitätsbonus in Form eines realen "Einfrierens" der sozialen Transferzahlungen des Staates auf hohem Niveau garantiert automatisch ein stetiges Absinken der Ausgabenquote ohne soziale Härten, wenn gleichzeitig das Pensionsantrittsalter der Lebenserwartung in angemessener Weise folgt. Dies ist jetzt schon seit geraumer Zeit der Fall, sodass sich Zukunftsängste dank unserer hervorragenden fundamentalen Position weitestgehend erübrigen.

Prof. Dr. Anton Kausel leitete von 1956 bis 1973 die Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Öffentliche Finanzen im Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Anschließend war er im ÖSTAT tätig. Von 1981 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1984 bekleidete er dort das Amt des Vizepräsidenten.