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Höhenflug der SVP wurde gestoppt

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Rechtspopulistische Volkspartei erlitt erstmals seit dem Jahr 1991 Einbußen.


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Bern. Die Schweizer Wähler haben bei den Parlamentswahlen vom Sonntag den traditionellen Parteien eine deutliche Abfuhr gegeben. Die schwersten Einbußen musste die rechtspopulistische SVP hinnehmen, die zwar mit 25,3 Prozent und 54 Sitzen stärkste Fraktion bleibt, aber 3,6 Prozentpunkte und acht Sitze einbüßte und damit zum ersten Mal seit 1991 einen Verlust hinnehmen musste. Von den erhofften 30 Prozent ist die SVP weit entfernt.

Die SVP ist offenbar an ihre Grenzen gestoßen, auch wenn die Parteispitze rund um Toni Brunner die Verluste mit der Abspaltung der BPD von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zu erklären versucht. Im Grunde wurde die SVP jedoch das Opfer ihrer eigenen Politik. Das Ausländerthema ist offensichtlich ausgereizt und das Feindbild EU ließ sich nicht in Stimmen umsetzen.

Stimmenverluste gab es auch für die drei weiteren Regierungsparteien. Die Sozialisten büßten 2,2 Prozentpunkte ein, konnten durch die Wahlarithmetik aber drei Sitze dazugewinnen. Sie haben jetzt 46 Mandate. Die christdemokratische CVP büßte 1,5 Prozentpunkte und drei Parlamentssitze ein und die liberale FDP verlor 1,1 Prozentpunkte und fünf Mandate. Die CVP ist im neuen Nationalrat mit 28 Mandataren und die FDP mit 30 vertreten.

Auch die Grünen (GPS) mussten einen Verlust von 1,3 Prozentpunkten hinnehmen und verloren fünf ihrer bisher 20 Sitze. Noch im Frühjahr nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hatte man den Grünen gute Chancen auf einen Ausbau ihres Wähleranteils vorausgesagt.

Große Gewinner der Wahl waren die Grünliberalen (GLP) und die von der SVP abgespaltene Bürgerlich-Demokratische Partei. (BDP). Die Grünliberalen, bisher in einer Fraktion mit der CVP, kommen auf zwölf Sitze, die BDP kommt auf neun Mandate.

Kampf um denneuen Bundesrat

Nach dem großen Erfolg dieser beiden Parteien richtet sich in Bern nun der Blick auf die Mitte Dezember anstehenden Bundesratswahlen. Die aus National- und Ständerat zusammengesetzte Bundesversammlung muss dann über den neuen Bundesrat entscheiden, der derzeit aus je zwei Vertretern von SP und FDP und je einem von BDP, CVP und SVP besteht. Zwar wird allgemein eingeräumt, dass die SVP aufgrund ihrer numerischen Stärke Anrecht auf ein zweites Regierungsamt hätte, doch ist dies nicht allein ausschlaggebend.

Die anderen Parteien werden höchstens einen moderaten, kompromisstauglichen Politiker als zweiten SVP-Vertreter im Bundesrat akzeptieren, die von der Partei selbst bisher ins Spiel gebrachten Namen erfüllen diese Voraussetzungen eher nicht. Zudem ist durch das Ergebnis vom Sonntag die Angst vor der SVP weg.

Soll heißen: Es könnte durchaus sein, dass Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), die als sehr kompetent und populär gilt, im Dezember vom Parlament bestätigt wird. Zwar hat die BDP mit ihren neun Sitzen nicht unbedingt einen Anspruch auf ein Regierungsamt, aber die neue Dynamik der Mitte könnte Widmer-Schlumpf möglicherweise das Amt retten. Die Parteichefs von CVP, BDP und GLP - aber auch von SP und Grünen - haben bereits eine Unterstützung für Widmer-Schlumpf angedeutet.

Allerdings bieten auch die Umbrüche im Mitte-Lager möglicherweise mehr Störpotenzial, als es auf den ersten Blick aussieht. Weder die BDP noch die Grünliberalen haben bisher ein besonders akzentuiertes Profil gezeigt. Dieses müssen sie in den kommenden vier Jahren also ein wenig schärfen, wollen sie weiterhin interessant bleiben. Und die alteingesessenen Kräfte FDP und CVP sollten wiederum wieder etwas mehr Flagge zeigen, wenn sie nicht vollends in den Abstiegsstrudel hineingezogen werden wollen. Ausgerechnet in der "gemäßigten" Mitte könnte es in der kommenden Legislaturperiode also durchaus heiß hergehen.