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Die Zahl der im Irak-Konflikt getöteten US-Soldaten hat am Wochenende die Marke von 500 überschritten. Seit dem Vietnamkrieg hatten die US-Streitkräfte nicht mehr derart hohe Verluste zu beklagen. Nach Ansicht von Beobachtern wächst damit der Druck auf die Regierung von Präsident George W. Bush, die Vereinten Nationen stärker in den Irak-Wiederaufbau einzubeziehen und Soldaten abzuziehen. Und den Demokraten, die Bush bei der Wahl im November ablösen möchten, liefert die Zahl neue Ansatzpunkte zur Kritik.
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"Ich glaube, dass die Zahl 500 eher willkürlich als besonders bedeutsam festgelegt wurde - außer dass sie natürlich für den armen Kerl bedeutsam war, der das 500. Opfer wurde", schränkt Michael Donovan vom Zentrum für Verteidigungsinformation in Washington ein. "Dennoch, ich glaube, es gibt in der Regierung ein Bewusstsein dafür, dass die Opferzahlen nicht auf Dauer steigen können, wenn die Unterstützung für den Krieg in der Öffentlichkeit erhalten bleiben soll."
Mehr Tote nach Kriegsende als während der Kämpfe
Die meisten US-Soldaten kamen im Irak ums Leben, nachdem Bush am 1. Mai das Ende der Hauptkampfhandlungen verkündet hatte. Und die Zahl übersteigt die vieler Regionalkonflikte in den vergangenen Jahrzehnten: Libanon, Somalia, Panama, Grenada, Kosovo, Afghanistan und der Golfkrieg 1991. In jenem Krieg wurden 315 Amerikaner bei der Vertreibung der Truppen Saddam Husseins aus dem besetzten Kuwait getötet. Verglichen mit früheren Kriegen ist die Zahl 500 allerdings klein: Im Zweiten Weltkrieg wurden 290.000 US-Soldaten getötet, im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 insgesamt 620.000, und in Vietnam mehr als 58.000.
Obwohl allgemein angenommen wird, dass die Öffentlichkeit in den USA wenig Verständnis für verlustreiche Kriege in weit entfernten Gegenden hat, halten Beobachter die Zahlen im Irak für noch zu gering, um einen Stimmungsumschwung auszulösen. Lawrence Korb, Vizepräsident des Rats für Auswärtige Beziehungen, hält die Zahl 500 für eine "symbolische Schwelle". "Vielleicht werden sich viele Leute, die in den vergangenen Wochen nicht richtig aufgepasst haben, fragen, was da vor sich geht. Ich glaube aber nicht, dass das zur Forderung nach einem Abzug der Truppen führt", erklärt Korb.
Auch der Experte Donovan ist dieser Ansicht. Die Mehrheit der US-Bürger scheine immer noch zu glauben, dass ihre Landsleute im Irak für eine Sache stürben, die es wert sei. Mit einem dramatischen Rückgang der Unterstützung für den Irak-Krieg sei daher nicht zu rechnen. Und die Militärführung im Irak weist Spekulationen zurück, dass die Verluste die Moral der Truppe gefährdeten. "Ich glaube nicht, dass die Soldaten willkürliche Zahlen wie die der Getöteten als Barometer ihrer Moral ansehen", sagt Brigadegeneral Mark Kimmitt in Bagdad. "Sie wissen, dass ihre Nation hinter ihnen steht. Sie wissen, dass ihre Armee hinter ihnen steht."
Doch ist davon auszugehen, dass zumindest einige unter den acht Kandidaten für die Nominierung des demokratischen Bush-Herausforderers in ihrem Wahlkampf auf die steigende Opferzahl eingehen werden. "Das wird den Kandidaten am meisten helfen, die gegen den Krieg waren", sagt Politologe Korb. Die Regierung Bush selbst wird sich nach Ansicht von Experten angesichts der Zahlen verstärkt darum bemühen, die Vereinten Nationen zu einer engeren Zusammenarbeit zu bewegen und einen ehrenhaften Rückzug vorzubereiten.
Die 500 Getöteten machten es umso dringender erforderlich, dass Bush den Vereinten Nationen mehr Verantwortung abtrete, als er dazu bisher bereit gewesen sei, sagt Korb. Um dieses Thema ging es auch bei einem Treffen von US-Zivilverwalter Paul Bremer und UNO-Generalsekretär Kofi Annan am Montag.
Nach Ansicht einiger Beobachter hat die US-Administration die Auswirkungen der steigenden Verlustzahlen dadurch gering zu halten versucht, indem sie die Informationen darüber kanalisiert. "Das Pentagon ist sehr zurückhaltend mit Angaben zu Opfern. Wir wissen, wie viele Menschen getötet wurden, aber das Pentagon hat keine Fotos von sterblichen Überresten Getöteter veröffentlicht, die in die USA übergeführt wurden. Und wir wissen nicht genau, wie viele Menschen verwundet wurden", sagt Donovan.
Walid Kasiha, Professor für Politologie an der Amerikanischen Universität in Kairo, erinnert an den enormen Effekt, den TV-Bilder toter und verwundeter Amerikaner auf die öffentliche Meinung während des Vietnamkriegs hatten. Derartige Bilder gab es aus dem Irakkrieg bis jetzt nur wenige. "Die 500 sind fast gesichtslos", sagt Kasiha.
13 Verletzte bei Anschlag in Kerbala
Bei einem Bombenanschlag in der heiligen Schiitenstadt Kerbala im Zentrum des Irak sind am Sonntagabend 13 Menschen verletzt worden. Nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern wurde ein Opfer schwer verletzt. Der Sprengsatz sei in der Nähe einer Grabstätte explodiert.