Scharfe Kritik an veralteten Energie-Konzepten. | Wien. Der in den letzten Wochen stark gestiegene Ölpreis ist manchen Branchen zu niedrig. Denn vor allem die Wirtschaftszweige, die sich der erneuerbaren Energie verschrieben haben, könnten von einem weiteren Preisanstieg profitieren.
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"100 Dollar pro Fass wäre wünschenswert. Das würde der Alternativ-Energie einen richtigen Schub geben", sagte der deutsche Energieexperte Werner Zittel von der Ludwig Bölkow-Systemtechnik GmbH gestern, Donnerstag, in einer Pressekonferenz in Wien. Energiepreise müssten richtig weh tun, betonte Zittel. Die Politiker dürften den Forderungen nach einer Senkung der Mineralölsteuer - die in Hochpreisphasen an der Tagesordnung sind - nicht nachgeben.
Seit rund einem Jahr habe sich die allgemeine Einstellung zu den erneuerbaren Energieträgern stark verbessert. Das hängt laut Zittel damit zusammen, dass Solaraktien an der Börse einen Aufschwung gehabt haben, so der Experte. "Seit man Gewinne machen kann, ist alles anders", erklärte Zittel.
Energie sparen, an den Alternativen arbeiten
Die erneuerbaren Energien seien in den vergangenen Jahren schneller gewachsen, als von vielen vorhergesagt. Besonders die Windenergie habe stark zugelegt. So seien derzeit weltweit ungefähr 60 Gigawatt Stromkapazität installiert, womit im Jahr etwa soviel Strom wie in 15 Atomkraftwerken erzeugt werden könne. Als tatsächlicher Erdöl-Ersatz bei Wärme und Treibstoff komme jedoch nur Biomasse in Frage, da diese relativ leicht gelagert oder als mobiler Energieträger eingesetzt werden könne, erklärte Zittel. Laut dem Energieexperten muss mittelfristig Ersatz für Erdöl gefunden werden. Als wichtige Option nennt Zittel das Einsparen von Energie. Das könnte durch Einschränkungen beim Verbrauch und die intelligente Nutzung von neuen Technologien erfolgen.
Für die traditionellen Energieformen (zB Kohle, Erdgas und Atomkraft) hat der Experte nur Kritik übrig. Zur derzeit laufenden Diskussion um eine vermehrte Nutzung von Atomenergie meinte er: "Das ist langfristig eine Sackgasse. Will man den Anteil des Atomstroms auf dem derzeitigen Niveau halten müssen bis 2030 in etwa so viele Kraftwerke gebaut werden, wie es derzeit gibt - also über 400." Der Beitrag der Kernenergie an der Primärenergie liege bei lediglich zwei Prozent, so Zittel.
Kohle kein sinnvoller Ersatz für Erdöl
Auch Kohle ist für Zittel keine Lösung. Kohle reiche bei heutigem Verbrauch zwar noch für über 200 Jahre. Doch es wäre die drei- bis vierfache Menge nötig, um für 100 Jahre eine konstante Versorgung auf derzeitigem Niveau zu gewährleisten, rechnete Zittel vor. Zudem stelle sich die Frage, ob es sich dann die Menschheit leisten könne, die Kohlendioxid-Emissionen weiter zu erhöhen. Es gebe wohl die Möglichkeit, Kohle kohlendioxidfrei zu verwerten, doch würde dabei fast ein Drittel der Energie verloren gehen. Ab 2010 sei es trotz aller Alternativen sehr wahrscheinlich, dass es ein Energiedefizit geben werde, betonte Zittel.