Chicago-Ökonom Uhlig: Scheitelpunkt ist nahezu erreicht. | Dänemark und Schweden: Bei noch höheren Steuern sinken Einnahmen. | Chicago/Wien. Die Idee ist so simpel, dass sie auf einer Serviette Platz hatte: Steuern lassen sich nicht unbegrenzt erhöhen. Irgendwann wird ein Punkt erreicht, wo die erzielten Einnahmen nicht mehr steigen, sondern sogar sinken. Diesen Gedanken soll der US-Ökonom Arthur Laffer, in den 1980ern enger Berater von Präsident Ronald Reagan, 1974 bei einem Abendessen anhand einer Parabel illustriert haben.
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Seither zerbrechen sich Ökonomen den Kopf darüber, wo der Scheitelpunkt der "Laffer-Kurve" liegt. Wie hoch können Steuersätze ausfallen, ohne kontraproduktiv zu wirken? Zwei deutsche Ökonomen haben diese Kurve im September 2009 für mehrere EU-Länder und die USA modelliert: Mathias Trabandt, jetzt bei der Europäischen Zentralbank beschäftigt, und Harald Uhlig, Professor an der Universität von Chicago, kommen dabei zum Schluss, dass die USA deutlich mehr Spielraum für Steuererhöhungen hätten.
So könnten die Amerikaner über die Besteuerung von Arbeit 30 Prozent Mehreinnahmen erzielen. In den 14 "alten" EU-Staaten (für Luxemburg fehlen Daten im Beobachtungszeitraum 1995 bis 2007) gibt es nur potenzielle Mehreinnahmen von 8 Prozent. Bei der Kapitalsteuer ist der Spielraum in Europa noch geringer: nur 1 Prozent für die EU-14, hingegen 8 Prozent für die USA.
Steuerbasis bricht weg
In Österreich sei kaum mehr etwas zu holen, sagt Uhlig im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Höhere Kapitalsteuern bringen keine Mehreinnahmen - maximal im Bereich von Nachkommastellen, aber das trägt nichts zur Bereinigung einer Schuldenproblematik bei." Österreich könne es sich nicht leisten, noch höhere Staatsausgaben zu produzieren, weil sonst die Steuerbasis wegbreche, so Uhlig.
Allenfalls seien über höhere Kapitalsteuern (etwa auf Unternehmensgewinne oder Aktienerträge) kurzfristig mehr Einnahmen zu erreichen, langfristig würden diese sinken. Der Grund: Unternehmen reagieren auf höhere Steuern und investieren weniger, die Produktivität sinkt. Dänemark und Schweden seien bereits in dieser Situation. Kapitalabflüsse sind dabei nicht eingerechnet.
Bei der Lohnsteuer liegen Dänemark und Schweden knapp vor dem Scheitelpunkt. Gleich dahinter folgt schon Österreich, wo Uhlig nur noch 2 Prozent Mehreinnahmen für möglich hält. Nur bei Konsumsteuern seien theoretisch deutlich höhere Steuersätze möglich.
Deutschland liegt jeweils besser als Österreich. Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien sind noch weiter vom Scheitelpunkt der "Laffer-Kurve" entfernt. Der Grund: Die effektiven Steuersätze sind in diesen hochverschuldeten Ländern niedrig, dort ist eher fehlende Steuermoral das Problem.
In neoklassischer Sicht
Überraschend sind die Ergebnisse, weil in Österreich Arbeit als hoch und Kapital als gering besteuert gilt. Freilich beruht die Berechnung auf einem neoklassischen, angebotsorientierten Wirtschaftsmodell.
Uhlig argumentiert auch viel lieber umgekehrt: "Es sollte nicht darum gehen, wie viel der Staat herausquetschen kann, sondern wie sich Steuersenkungen auswirken." Diese finanzierten sich durch Effizienzgewinne selbst: "Würde Österreich die Kapitalsteuern senken, gingen statt 10 Euro nur 1,20 Euro und bei der Lohnsteuer nur 3 Euro verloren." Der Selbstdeckungsgrad wäre 88 Prozent bzw. 70 Prozent.