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Höheres Defizit "kein Beinbruch"

Von Veronika Gasser und Walter Hämmerle.

Politik

Für ein Vorziehen von Teilen der großen Steuerreform auf 2004 plädiert Infrastrukturminister Hubert Gorbach im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Ein zusätzliches Defizit von einem Prozent wäre kein Beinbruch", wenn damit konjunkturelle Impulse gesetzt werden. Entscheidend sei jedoch, dass deren Wirkung nicht verpufft. Mit dem Koalitionspartner ÖVP sieht sich Gorbach derzeit in einem "Zusammenraufprozess".


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"Wiener Zeitung": Herr Minister, warum gelingt es der FPÖ seit eineinhalb Jahren nicht, ihre Führungsdiskussion endlich zu beenden?

Hubert Gorbach: Ich sehe das nicht so dramatisch. Herbert Haupt hat ein beachtliches Ergebnis beim letzten Bundesparteitag erreicht. Wenn nun einzelne Mandatare diese Diskussion immer wieder weiter treiben, so betrachte ich das im Zusammenhang mit dem medialen Sommerloch. Übrigens ist es auch bei den anderen Parteien nicht so, dass hundert Prozent der Funktionäre hinter dem Obmann stehen.

"Wiener Zeitung": So harmlos ist diese Diskussion aber nicht. Immerhin fordern mit Kärnten und Oberösterreich die stärksten FPÖ-Landesorganisationen die Rückkehr Jörg Haiders an die Parteispitze.

Hubert Gorbach: Diese Diskussion ist jetzt aber bereinigt. Auch aus Kärnten und Oberösterreich haben Sie in den letzten Wochen diesbezüglich nichts mehr gehört. Haider hat es ja im übrigen nur gut gemeint: Er wollte mit seinem Angebot der Partei in einer schwierigen Situation helfen, wieder an Boden zu gewinnen.

"Wiener Zeitung": Bei der Pensionsreform ist es der FPÖ gelungen, einen Verhandlungserfolg wieder selbst zu zerreden.

Hubert Gorbach: Das ist ja das Traurige: Dass unsere Erfolge von solchen Diskussionen überlagert werden. Für die Medien sind eben nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten.

"Wiener Zeitung": Auch beim Thema Steuerreform fällt es momentan schwer, einen einheitlichen FPÖ-Standpunkt zu erkennen.

Hubert Gorbach: Die ÖVP hat hier ebenso keine einheitliche Linie. Ich lese vom Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf, dass er eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes für 2004 fordert. Wenn das aber ein Freiheitlicher sagt, ist immer gleich die Koalition am Zerbrechen.

Was die Sache betrifft, so glaube ich, dass man konjunkturbelebende Maßnahmen nicht nach Wahlterminen sondern nach Bedarf setzen muss. Hier kommt ja jetzt - und das war ein Verdienst der FPÖ - ein Entlastungspaket von 500 Mill. Euro ab dem kommenden Jahr. Allerdings muss dessen Wirkung nun durch eine Vorverlegung von Teilen der großen Steuerreform verstärkt werden. Und darüber will ich eine sachliche Diskussion mit dem Partner. Sollte die ÖVP sich einer solchen mit Verweis auf das Regierungsprogramm verschließen, wäre das eine sehr unflexible und nicht mehr zeitgemäße Politik.

"Wiener Zeitung": Welche Teile der Steuerreform sollen vorgezogen werden?

Hubert Gorbach: Entscheidend ist, dass die Treffsicherheit gegeben ist und die Wirkung nicht verpufft. Wenn hier die Experten sagen, durch eine nochmalige Entlastung der unteren und mittleren Einkommen oder durch andere Maßnahmen kann die Nachfrage und damit die Konjunktur belebt werden, dann sollte man das auch machen.

"Wiener Zeitung": Sehen Sie in diesem Punkt Gesprächsbereitschaft beim Koalitionspartner?

Hubert Gorbach: Ja, die sehe ich - allerdings scheint bei der ÖVP der interne Diskussionsprozess noch nicht abgeschlossen. Aber wir sind im Moment in einem "Zusammenraufprozess". Das Verschieben der Gesundheitsreform von 2004 auf 2005 stand ja auch nicht im Regierungsübereinkommen und trotzdem haben wir es gemacht, eben weil es vernünftig war. Eine ständige Evaluierung des Programms ist in diesem Sinne sicher notwendig.

"Wiener Zeitung": Wie soll es nun bei der Steuerreform weiter gehen?

Hubert Gorbach: Ich bin prinzipiell für ein Vorziehen der Steuerreform und weiß nicht, weshalb wir warten sollen. Wir könnten einen Konjunkturschub dringend benötigen - und wir haben noch Spielraum für eine Entlastung. Für 2004 ist ein Budgetdefizit von 0,7 Prozent eingeplant, 1,5 Prozent für 2005. Da sind wir von den 3 Prozent, die uns Maastricht vorschreibt, noch weit entfernt. Ein zusätzliches Defizit von 1 Prozent wäre kein Beinbruch, das entspricht 2,2 Mrd. Euro Nettowirksamkeit. Mit einem solchen Betrag kann man viel machen. Dann stünden wir 2004 bei einem Defizit von 1,7 Prozent - im Vergleich mit anderen EU-Ländern ist das immer noch hervorragend. Warum also immer den Musterschüler spielen anstatt der Wirtschaft unter die Arme greifen?

"Wiener Zeitung": Freut Sie eigentlich das jüngste Werben der SPÖ um die Gunst der FPÖ?

Hubert Gorbach: Also ich würde ein Spargelessen nicht überbewerten. Ein gutes Gesprächsklima zwischen allen Parteien ist selbstverständlich, und ich pflege das auch selbst. Im Übrigen ist die Spargelzeit längst vorbei.

"Wiener Zeitung": Sind Sie sicher, dass Ihre Partei auch in Zukunft nicht mit der Opposition gegen den Partner stimmen wird?

Hubert Gorbach: Das ist etwas anderes. Es war offensichtlich, dass es der SPÖ bei der Pensions- und jetzt bei der Steuerreform nur um das Auseinanderdividieren der Regierung ging. Daher werden die Lockungen auch sicher weiter gehen, denn offensichtlich hat die SPÖ inhaltlich keine anderen Ideen.

"Wiener Zeitung": Zur Verkehrspolitik: Werden einzelne Projekte des Generalverkehrsplans vorgezogen?

Hubert Gorbach: Wir führen gerade Gespräche über den Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur. Eine Arbeitsgruppe prüft neue Finanzierungsmodelle, um die ersten Projekte schneller abzuwickeln. Wir wollen zumindest die Nordautobahn (A5) vorziehen, so dass diese noch vor 2008 fertig gestellt werden kann.

"Wiener Zeitung": Können Sie sich die Privatisierung des Güterverkehr nach der ÖBB-Reform vorstellen?

Hubert Gorbach: Für solche Diskussionen bin ich immer offen. So sehr ich den öffentlichen Auftrag der ÖBB anerkenne, so sehr bin ich für Privatisierungen zu haben - sofern der öffentliche Auftrag nicht zu kurz kommt.

Das Gespräch führten Veronika Gasser und Walter Hämmerle.