In fünf Wiener Bezirken vertreten Schüler beim Jugendparlament "Word Up!" ihre Interessen vor Lokalpolitikern.
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Wien. An die 70 Jugendliche zwischen 13 und 14 Jahren füllen den Festsaal des Amtshauses am Floridsdorfer Spitz. Aufregung und buntes Stimmengewirr liegen in der Luft. Schließlich ist es für viele das erste Mal, dass sie ein solch offizielles Gebäude betreten, noch dazu mit einem besonderen Auftrag: Die Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen des Jugendparlaments Word Up! 21 ihre Wünsche und Ideen für den Bezirk gesammelt und übergeben ihre Forderungen nun an die Bezirkspolitiker.
"Word Up!" gibt es derzeit in den fünf Wiener Bezirken Leopoldstadt, Alsergrund, Brigittenau, Floridsdorf und Liesing. Geleitet wird das Projekt vom Verein Wiener Jugendzentren, der die Jugendparlamente seit nunmehr fast 15 Jahren in Kooperation mit anderen Jugendorganisationen betreut.
"Wir versuchen, möglichst viele Jugendliche der 7. und 8. Schulstufe aller Schulen im Bezirk zu erreichen und zur Mitarbeit zu bewegen. Sie wollen etwas ändern und bewirken und setzen sich dabei für ihre und die Interessen anderer ein", sagt Werner Prinzjakowitsch, pädagogischer Bereichsleiter bei den Wiener Jugendzentren. "Die Bezirke geben damit ein Stück Macht ab und lassen die Jugendlichen bei der Gestaltung ihres Lebensraums mitentscheiden. Und die PolitikerInnen profitieren, weil sie die Sichtweisen der Jugendlichen aus erster Hand kennenlernen."
Politische Bildung und Kameratrainings
Das Projekt Word Up! erstreckt sich über ein Schuljahr. In zwei- bis dreistündigen Workshops im Herbst an den Schulen wird das Jugendparlament zunächst erklärt und politische Bildung vermittelt: Wofür ist der Bezirk zuständig, wofür Stadt und Bund? Wie funktioniert ein demokratisches System und wie kann ich darin mitentscheiden?
Danach bestimmt jede Schulklasse zwei Delegierte, die weiter am Projekt teilnehmen. Sie sammeln die Ideen und Forderungen ihrer Mitschüler und präsentieren diese mindestens einen Vormittag lang im Jugendzentrum. Dort werden vom Bezirk unrealisierbare oder kuriose Wünsche - wie eine Rolltreppe in der Schule, ein Fast-Food-Lokal oder ein Streichelzoo im Park - herausgepickt. Und auch dann ist es noch eine Herausforderung, die vielen hundert Wünsche auf ein paar Handvoll herunterzubrechen.
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"Die Listen mit den am Schluss von den Delegierten gewählten Forderungen werden dann in einer Plenarsitzung des Jugendparlaments an die BezirkspolitikerInnen übergeben", sagt Prinzjakowitsch. "Aber auch Ideen, die nicht umsetzbar sind, werden mit der Bezirksvorstehung und Fachexperten in der Regel diskutiert, denn die Schüler haben das Recht, erklärt zu bekommen, warum etwas nicht geht."
Die Jugendarbeiter betreuen die Jugendlichen beim Erarbeiten und Formulieren ihrer Wünsche, moderieren die Sitzungen und begleiten die Begehungen an jene Orte, wo die Jugendlichen etwas verändern möchten. Manchmal entstehen dabei auch kleine Kurzfilme, um die Ideen besser veranschaulichen zu können.
Um sich für die Präsentation der Wünsche im Amtshaus zu wappnen, werden die Schülervertreter zudem in Moderation, Mikrofonsprechen und Kameratraining trainiert. Das hilft so manchen über anfängliche Schüchternheit hinweg, findet zum Beispiel David von der Neuen Mittelschule am Rudolf-Schön-Weg: "Man kann bei Word Up! etwas sagen, mitentscheiden und seine Angst besiegen, wenn man nervös ist."
Tamara und Maria haben sich bei Word Up! 21 für das Thema Fitness und Training starkgemacht und einen Boxautomaten im Einkaufszentrum in ihrer Nähe gefordert. "Die Jugendlichen sollen dort ihre Wut auslassen können, anstatt auf andere loszugehen. Außerdem sagen die Jungs immer: ‚Ich bin so stark‘ - dann sollen sie es auch beweisen. Und wir Mädels können zeigen, dass wir auch was draufhaben", erklären sie bei der Plenarsitzung.
50.000 Euro Budgetallein in Floridsdorf
Raffi und Stefan wiederum setzen sich für freies WLAN im Skaterpark Oswald-Redlich-Straße ein, Christian für mehr Graffiti-Wände in Floridsdorf, Zoey vertritt die Forderung nach einem Spielplatz für Jugendliche in der Dopschstraße. Rasen statt Beton im Fußballkäfig, freie Trainingsgeräte oder mehr Tische und Bänke zum Chillen im Park sind weitere Wünsche der Jugendlichen.
Nicht zu vergessen der Schachbretttisch, unter anderem als Ausgleich zur Handysucht für "Smartphone-Zombies", sogenannte "Smombies". Den könnten dann gleich auch andere Gesellschaftsgruppen wie Senioren für sich nutzen, so die Teenager. Auch der Wunsch nach Schulbeginn um neun Uhr wird laut - unterstützt von der anwesenden Schulinspektorin, aber leider nicht durch den Bezirk zu ändern, sondern nur durch eine Änderung des Wiener Schulgesetzes, wie die SchülerInnen erfahren.
Fitness, Parkgestaltung und Schule seien Themen, die den Jugendlichen bei ihren Forderungen immer wichtig sind, sagt der Bezirksvorsteher von Floridsdorf, Georg Papai, der früher auch als Jugendbezirksrat aktiv war.
"Leider können wir nicht alle Wünsche erfüllen, aber es ist auch wichtig für die Schüler, zu erfahren, was die Aufgaben der Bezirkspolitik sind, und wo eine höhere Ebene zuständig ist", sagt Papai zur "Wiener Zeitung". Auch über die Kosten für ihre Forderungen machen sich die Jugendlichen Gedanken. Das Budget für die Umsetzung der Wünsche stellt der jeweilige Bezirk zur Verfügung, in Floridsdorf sind das heuer etwa 50.000 Euro. Je nach Forderung können dann am Ende ein oder mehrere Sieger-Projekte umgesetzt werden. Bei Word Up! 2 in der Leopoldstadt, dem jüngsten Jugendparlament in Wien, standen 2017 am Schluss etwa zwölf Projekte zur Auswahl, die allesamt auf Verbesserungen der Lebensumgebung der Jugendlichen abzielten. 70.000 Euro durften ausgegeben werden, sodass am Ende vier, von den Delegierten gewählte, Wünsche umgesetzt wurden: ein Salettl für den Max-Winter-Park, Free-Gym-Fitnessgeräte im Prater, eine Absperrung beim Ballspielplatz am Volkertplatz und neue Bodenmarkierungen für den Dianapark.
Nach dem Ende des Jugendparlaments werden die Schüler weiter über die Umsetzung ihrer Forderungen auf dem Laufenden gehalten, sagt Teresa Bauer, Jugendarbeiterin im Jugendtreff Nordbahnhof und Projektkoordinatorin von Word Up! Leopoldstadt: "Wir halten dafür den Kontakt zu den Schulen, schicken Nachrichten über soziale Medien wie Facebook oder Messenger." Manchmal brauche es bis zu einem halben Jahr, bis ein Wunschprojekt realisiert werde, deswegen sei auch der ständige Kontakt so wichtig.
Die Ideen gehen den Schülern jedenfalls nie aus: "Alleine in der Leopoldstadt haben wir vergangenes Jahr 1000 Wünsche in 33 Schulklassen gesammelt", sagt Teresa Bauer. "Da kommt so viel an Themen, dass wir in der Jugendarbeit ein ganzes Jahr nur Word Up! machen könnten."
Weitere Informationen unter:
www.jugendzentren.at/
themen-projekte/word-up/