Frankreichs Präsident zieht Konsequenzen aus der Wahlniederlage.|Der bisherige Innenminister Manuel Valls wird Premier.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Paris/Wien. Nach der schweren Niederlage der Sozialisten bei den Kommunalwahlen in Frankreich hat Präsident François Hollande den bisherigen Innenminister Manuel Valls zum neuen Premierminister berufen. Das teilte der Staatschef am Montagabend während einer Fernsehansprache mit. Zuvor hatte der bisherige Premier Jean-Marc Ayrault offiziell den Rücktritt seines gesamten Kabinetts bekannt gegeben.
"Ich habe Ihre Botschaft verstanden", sagte Hollande mit Blick auf das Wahlergebnis, für das er die Verantwortung übernahm. Valls solle an der Spitze eines verkleinerten "Kampfkabinetts" einen Solidarpakt umsetzen. Dieser sieht unter anderem Steuersenkungen und eine Senkung der Belastungen für Arbeitnehmer vor.
Mit der Bestellung von Valls zum Premier signalisiert Hollande eine Abkehr vom Linkskurs. Mehr als einmal vertrat Valls in der Vergangenheit bürgerlich-rechte Positionen – etwa in seiner Politik gegenüber der Minderheit der Roma. Hollande muss sich also auf Widerstand vom linken Flügel seiner Partei gefasst machen. Zugleich ist und bleibt der 51-jährige Valls aber auch der bei Weitem beliebteste Minister Hollandes.
Ausgelöst wurde die Regierungsumbildung durch die deutlichen Verluste der Linken bei den Kommunalwahlen. Die Niederlage von Frankreichs Sozialisten zeigt sich besonders deutlich in Limoges. Seit mehr als hundert Jahren ist die Großstadt des weltberühmten Porzellans links regiert. Das wird sich künftig ändern.
"Nicht gerade ein Glücksmoment"
Denn bei den Gemeinderatswahlen in Frankreich gelang den Konservativen ein Erdrutschsieg, bei dem sie Limoges sozusagen en passant mit abräumten. Zehn Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern verlor die Linke an die Konservativen, davon gingen acht an die UMP. Insgesamt wechselten mehr als 155 Städte mit jeweils mehr als 9000 Einwohnern zur Rechten. "Es ist nicht gerade ein Glücksmoment", erklärte der geschlagene Bürgermeister von Limoges, Alain Rodet.
Grundsätzlich sind verlorene Gemeinderatswahlen für französische Regierungsparteien eher die Regel als die Ausnahme. Sind sie doch für die Bürger eine erste Gelegenheit, um dem Ärger über ihrer Meinung nach verfehlte Politik Luft zu machen. Doch dieses Mal schnitten die Sozialisten katastrophal ab. Zum Vergleich: 2008 verlor die UMP unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy 90 Rathäuser an die Linke.
Nach der jetzigen Niederlage muss Hollande erst wieder Tritt fassen. Er will in den nächsten Wochen den "Pakt der Verantwortung" zum Abschluss bringen. Lohnkosten werden damit gesenkt und bringen Unternehmern Milliarden-Entlastungen. Im Gegenzug sollen von den Arbeitgebern die Schaffung neuer Jobs und Investitionen zugesichert werden. Dabei steht Frankreich unter Beobachtung der Brüsseler Budget-Wächter, denen Hollande zeigen muss, wie er Einsparungen von 50 Milliarden Euro auf die Haushalte der nächsten drei Jahre verteilen will.
Abseits der wirtschaftlichen Problematik kommt auf Hollandes Sozialisten noch eine politische Herausforderung bei den Europawahlen im Mai zu. Die rechtsextreme Front National gehört nämlich ebenfalls zu den großen Gewinnern der Gemeinderatswahlen. In elf Gemeinden ist es der rechtsextremen Kandidaten gelungen, die Macht zu ergreifen.
Porträt
Der neue französische Premierminister Manuel Valls ist ein Vertreter des rechten Flügels der Sozialisten und Vorkämpfer einer eher strengen Sicherheitspolitik. Geboren wurde der bisherige Innenminister 1962 in Barcelona in Spanien. Damit ist Valls einer der wenigen französischen Politiker, die ihre Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erhalten haben. Er trat bereits 1980 im Alter von 17 Jahren der Sozialistischen Partei (PS) bei, ein Jahr vor seiner Einbürgerung. Im Alter von 24 Jahren wurde er in den Regionalrat der Pariser Ragion Ile-de-France gewählt, dessen Vizepräsident er 1998 wurde. Während der Amtszeit von Premier Lionel Jospin (1997-2002) war Valls für die Beziehungen der Premierministeramtes zur Presse zuständig. Er war von 2001 bis 2012 auch Bürgermeister der Pariser Vorstadt Evry. Im Herbst 2011 kandidierte Valls bei den Vorwahlen der Parti Socialiste für die Präsidentschaftswahl 2012, schied aber mit 6 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang aus.
Valls sprach sich insbesondere für die Abschaffung der 35-Stunden-Woche und die Anhebung des Rentenalters aus. Er ist gegen die Liberalisierung der leichten Drogen und führte 2005 gegen die EU-Verfassung eine Wahlkampagne. Valls traf während des Universitätsstudiums seine erste Frau Nathalie Soulié, die er 1987 heiratete und mit der er vier Kinder hat. Nach seiner Scheidung heiratete er 2010 die Violonistin Anne Gravoin. Seine berufliche Karriere begann er als Kommunikationsberater.