Präsident hofft auf 475.000 neue Arbeitsplätze innerhalb von zehn Jahren.
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Paris. Stolz wie ein Vater sein Baby hält der französische Präsident François Hollande einen weiß-orangen Roboter im Arm. Die Figur symbolisiert die neue Industriepolitik Frankreichs, die Hollande am Donnerstag vorstellte. Denn die Regierung will nicht mehr zusehen, wie jeden Monat Fabriken schließen, sondern der Industrie neuen Schwung geben. Große Namen wie die Weltraumrakete Ariane, das Überschallflugzeug Concorde und der Hochgeschwindigkeitszug TGV machten einst den Ruhm der französischen Industrie aus. Doch Hollande mahnt: "Hüten wir uns vor jeder Nostalgie." Der Blick zurück ist für Frankreich in der Tat bitter, denn 750.000 Industriearbeitsplätze gingen in den vergangenen zehn Jahren verloren.
Die Regierung richtet nun den Blick nach vorn: "Wir müssen die nötigen Anpassungen vornehmen und offensiv sein", fordert der Staatschef. Anpassungen sind vor allem beim veralteten Maschinenpark nötig, der in den Fabriken im Einsatz ist. "Unsere Maschinen sind doppelt so alt wie die der Konkurrenz", sagt der Experte Robin Rivaton der Internetzeitung "Atlantico". Fast fünfmal weniger Industrieroboter sind in Frankreich im Einsatz als beispielsweise in Deutschland, wie Hollande selbst vorrechnet.
Doch der Präsident ist voller Hoffnung, die Aufholjagd zu schaffen. "Unser Ziel ist es, die Arbeitsplätze wiederzugewinnen, die in den vergangenen zehn Jahren zerstört wurden." Die Arbeitslosigkeit ist mit rund 3,2 Millionen Menschen ohne Stelle auf dem höchsten Stand seit 16 Jahren. Noch in diesem Jahr will Hollande den Trend umkehren. Seine neue Industriepolitik dürfte allerdings nicht so schnell Früchte tragen. "Wir erwarten in den nächsten zehn Jahren 475.000 wiederentstandene Arbeitsplätze", sagt sein Industrieminister Arnaud Montebourg.
Für die Wiederbelebung seiner Industrie setzt Frankreich auf 34 Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, Gesundheit und neue Technologien. Der TGV der Zukunft, der ab 2018 mit 640 Passagieren und 350 Stundenkilometern durch die Gegend brausen soll, gehört ebenso dazu wie das Zwei-Liter-Auto. Gerade für die angeschlagene Autoindustrie sind neue Projekte dringend nötig, denn allein der Autobauer Peugeot muss 8000 Arbeitsplätze streichen. "Unsere Herausforderung ist es, Frankreich auf Platz eins im internationalen Wettbewerb zu bringen", sagt Hollande kämpferisch.
Zunächst 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt
Was die Wettbewerbsfähigkeit angeht, steht das Land schlecht da. Laut dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Index des Weltwirtschaftsforums verlor Frankreich zwei Plätze und belegt nur Platz 23. Nachbar Deutschland liegt auf Platz vier, die Schweiz ist die Nummer 1 und Österreich auf Platz 16. Vor fast einem Jahr stellte die sozialistische Regierung deshalb einen Wettbewerbspakt vor, der Steuererleichterungen von rund 20 Milliarden Euro für Unternehmen vorsieht. Doch den Unternehmern geht der Pakt nicht weit genug, denn die grundlegenden Probleme werden nicht angepackt: die hohen Arbeitskosten und die starre 35-Stunden-Woche.
Darüber verliert der Staatschef am Donnerstag kein Wort. Eines ist für ihn aber klar: Die Rolle des Staates soll bei seinem "New Deal" für die Industrie möglichst klein sein. "Der Staat soll die Privatinitiative nicht ersetzen", sagt Hollande. "Seine Aufgabe ist es, einen Rahmen zu schaffen, zu begleiten und zu stimulieren." 3,5 Milliarden Euro werden dafür zunächst bereitgestellt. "Für einen Euro an öffentlichem Geld, der als Kredit gegeben wurde, hoffen wir, das Zehnfache zurückzubekommen", rechnet Montebourg vor. Doch seine Industriepolitik, die auf ein Eingreifen des Staates zugunsten maroder Betriebe setzt, halten viele für überholt. "Es ist nicht die Aufgabe der Regierung, über Leben und Tod der Unternehmen zu entscheiden", bemerken die Experten Augustin Landier und David Thesmar. "Wir respektieren die Märkte", versichert der Präsident den Kritikern. "Unsere Industriepolitik ist nicht liberal oder dirigistisch. Sie ist französisch und pragmatisch."