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Hollande will mit Gefolgsleuten regieren

Von Birgit Holzer

Politik

Der 36-jährige frühere Wirtschaftsberater Emmanuel Macron, der für einen liberalen Kurs steht, wird überraschend Wirtschaftsminister - die Grünen verzichten auf eine Beteiligung.


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Paris. Was für ein Schauspiel!", titelte die Pariser Tageszeitung "Le Parisien" gestern nach dem Paukenschlag zum Wochenbeginn: Rücktritt der französischen Regierung nach der offenen Kritik zweier Minister an deren Politik, dramatische Fernseh-Interviews der Betroffenen, Spekulationen um die Besetzung des neuen Kabinetts nur 147 Tage nach der letzten Umbildung. Dabei ändert sich diese letztlich nur wenig.

Größte Überraschung ist wohl die Berufung des 36-jährigen Emmanuel Macron, der im Sommer seinen Posten als Wirtschaftsberater des Präsidenten François Hollande verlassen hatte und für einen liberalen Kurs steht. Er tritt an die Stelle von Arnaud Montebourg, der mit seinem Widerstand gegen die in seinen Augen zu unsoziale Regierungslinie die Krise ausgelöst hatte. Der Elysée-Palast hatte erklärt, alle Mitglieder der neuen "Regierung der Klarheit" müssten Hollande loyal unterstützen. Das gilt insbesondere für seine engsten Vertrauten, Finanzminister Michel Sapin und Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll. Sie behalten ebenso ihre Ämter wie Hollandes frühere Partnerin Ségolène Royal, die für Umwelt und Energie zuständig ist, und Laurent Fabius im Außenressort.

Die Gewichte verschieben sich durch das Ausscheiden der beiden Parteilinken Montebourg und des Erziehungsministers Benoît Hamon. Ihn ersetzt die bisherige Frauen- und Sportministerin Najat Vallaud-Belkacem. An die Stelle von Kulturministerin Aurélie Filippetti, die mit Verweis auf ihre politischen Überzeugungen freiwillig ausscheidet, tritt Fleur Pellerin, bislang Staatssekretärin für Tourismus und Außenhandel.

Trotz intensiven Werbens um die Grünen verzichteten diese auf einen Wiedereintritt in die Regierung. Sie hatten sie im Frühjahr nach den für die Sozialisten verheerenden Kommunalwahlen verlassen. Allerdings bleiben die drei Mitglieder der radikalen Linken im Kabinett, darunter Justizministerin Christiane Taubira, die durch ihren Kampf für die Homo-Ehe zu einer Ikone der Linken aufgestiegen ist.

Ein Zeichen gegendie Disziplinlosigkeit

Mit der Neubildung des Kabinetts setzten Hollande und Valls ein Zeichen gegen die vorherrschende Disziplinlosigkeit. Am Wochenende hatte Montebourg einmal mehr den eingeschlagenen Sparkurs zur Haushaltssanierung in Frage gestellt und zum Widerstand gegen die "von Deutschland erzwungene" Sparpolitik in Europa aufgerufen. Hamon schlug in eine ähnliche Kerbe. Valls’ Umfeld zufolge habe dieser die Kritik als "echte Beleidigung" aufgefasst, auf die keine andere Antwort als ein Rücktritt der Regierung möglich gewesen sei. Der dynamische 52-Jährige war im März als neuer Premierminister eingesetzt worden, eben um für mehr Geschlossenheit zu sorgen.

Doch es ist fraglich, ob die Kritiker in den eigenen Reihen zum Schweigen gebracht werden können. Denn Hollandes Weg, Ausgaben in Höhe von 50 Milliarden Euro zu kürzen und die Unternehmen um 41 Milliarden an Abgaben zu entlasten, um sie wieder wettbewerbsfähiger zu machen, bleibt bei einem Teil der Sozialisten umstritten. Viele fühlen sich betrogen, weil diese Maßnahmen nicht in Hollandes Wahlprogramm standen, stattdessen das Versprechen, den europäischen Stabilitätspakt neu zu verhandeln.

"Unterordnung"unter Deutschland

Dass er sich nun aber bemüht, die Neuverschuldung auf die EU-Vorgabe von drei Prozent zu drücken, interpretieren sie als "Unterordnung" unter Deutschland. Eine Gruppe von Abweichlern in der Nationalversammlung droht die anstehenden Reformvorhaben zu torpedieren. Die Protestbewegung beginne erst, so der sozialistische Abgeordnete Laurent Baumel: "Ich denke, dass unsere Zahl im Herbst noch zunehmen wird."