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Hollande zwischen den Fronten

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Schlechte Wirtschaftsdaten machen Regierung in Paris zu schaffen.


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Paris/Wien. So unbeliebt wie er war nach einem Jahr sonst keiner seiner Vorgänger in der Fünften Republik: Frankreichs Präsident François Hollande liegt gemeinsam mit seiner Regierung im Umfragetief. Dem Meinungsforschungsinstitut TNS Sofres zufolge sind nur noch 15 Prozent aller Franzosen mit ihrem Staatschef zufrieden. 76 Prozent beurteilten die Bilanz des Präsidenten als "eher negativ".

Die am Montag veröffentlichte Umfrage scheint zu bestätigen, was man auf Frankreichs Straßen zu sehen bekommt: Es gibt Massenproteste. Doch es ist nicht nur - wie zu erwarten - die konservative Opposition, die gegen den Sozialisten Hollande mobilmacht, es sind auch die Linken selbst. Allen voran Jean-Luc Mélenchon, der Chef der Linkspartei und die Gewerkschaften. "Er (Hollande) ist einer der Gründe der Krise - wie Frau (Angela) Merkel und andere europäische Führer, die sich für die Sparpolitik entschieden haben", sagte Mélenchon am Sonntag. Es waren Proteste, die sich schon zum Zeitpunkt der Wahl Hollandes zum Präsidenten angekündigt hatten.

Zum einen war klar, dass sich die wirtschaftliche Situation auf absehbare Zeit nicht bessern würde. Die Gesamtverschuldung des Landes liegt heute auf einem neuen Rekordwert: mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Zahl der Arbeitslosen liegt bei elf Prozent - Tendenz steigend.

Zum anderen war der Handlungsspielraum Hollandes gering. In Krisenzeiten alle Erwartungen der sozialistischen Klientel zu erfüllen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Beispiel Fiskalpakt: Mélenchon wirft Hollande vor, die Sparziele nicht nachverhandelt zu haben. Doch dafür hat die EU-Kommission Frankreich immerhin eine Lockerung bei den Defizitzielen zugestanden, sodass Hollande nun bis 2015 Zeit hat, das Drei-Prozent-Defizit einzuhalten.

Dass Mélenchon an der Spitze der linken Proteste steht, wundert nicht weiter. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Sozialistische Partei innerhalb von zehn Jahren zu übernehmen - so wie das seinerzeit der spätere Präsident François Mitterrand getan hatte. Dass der Chef der Linkspartei nur auf einen günstigen Moment warten würde, um Hollande anzuschießen, war unter Experten ein Faktum.

Sozialpolitik ist

durchaus vorhanden

Dabei lässt sich durchaus der Wille Hollandes zu Klientelpolitik feststellen. Er hat die Pension mit 60 teilweise wieder eingeführt. Er hat den sogenannten Generationenvertrag durchgesetzt: Unternehmen mit weniger als 300 Angestellten erhalten eine Subvention in Höhe von 12.000 Euro, wenn sie Angestellte im Alter von mehr als 57 Jahren beibehalten (oder ab 55 einstellen) und gleichzeitig einen Unter-26-Jährigen rekrutieren, der den Älteren sozusagen als Mentor erhält.

In Staatsunternehmen wurden die Gehälter der Führungsebene mit 450.000 Euro jährlich gedeckelt. Dieser Betrag soll in etwa dem 20-fachen Einkommen der am schlechtesten Verdienenden entsprechen. An mancher Stelle grenzte Hollandes Umverteilungspolitik schon ans Problematische. Er beharrte auf der von ihm versprochenen Reichensteuer: Einkommen von mehr als einer Million Euro sollten ab diesem Betrag mit 75 Prozent besteuert werden. Auch wenn das Verfassungsgericht das Gesetz kippte, so verließen doch reiche Franzosen fluchtartig das Land. Nach Aufzeichnungen der Europäischen Zentralbank sind seit Herbst 2012 bis zu 70 Milliarden Euro an Kapital aus Frankreich abgeflossen, was primär als Effekt der Einführung der Reichensteuer gesehen wird.

Arbeitnehmerschutz

wird gelockert

Doch es gibt auch die Maßnahmen, die völlig konträr zur von der Linken gewünschten Sozialpolitik laufen. Zum Beispiel die Arbeitsmarktreform. Durch sie wird in Krisenzeiten Kurzarbeit möglich und auch der Kündigungsschutz gelockert. Hollande setzte dies gegen den Protest von Gewerkschaften durch. Unbehagen verbreitet auch die Ankündigung, die Staatsbeteiligung an einer Reihe von Unternehmen zurückfahren zu wollen.

Hinzu kommen Verunsicherungen, etwa bei den Pensionen. Nach der teilweise erneuten Etablierung des 60. Lebensjahres für den Pensionsantritt fürchtet manch einer, dass dies nur eine kurzfristige Beruhigung darstellt, um später eine gröbere Anhebung vorzunehmen. Auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer soll angeblich über Umwege wieder rückgängig gemacht werden.

Dass die Wirtschaftsdaten innerhalb eines Jahres schlechter geworden sind, ist natürlich ein gefundenes Fressen für die konservative Opposition. Die Wirtschaftspolitik von Hollande führe in "die Rezession" und erhöhe "das Defizit und die Arbeitslosigkeit", sagte der konservative Ex-Regierungschef François Fillon. Und so hat Hollande gleich an zwei Fronten zu kämpfen.