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Hollandes Adieu

Von Birgit Holzer

Politik

Der französische Präsident erklärte auf eine weitere Amtszeit zu verzichten.


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Paris. Es ist ein Paukenschlag, der Paris und ganz Frankreich erschüttert: Präsident François Hollande verzichtet auf eine weitere Amtszeit. In einer kurzfristig angekündigten Fernsehansprache um 20 Uhr verkündete der 62-Jährige, dass er nicht bei den Wahlen im Frühjahr 2017 antreten werde.

Er sei klarsichtig und angetrieben vom Interesse des Landes, erklärte Hollande sichtlich bewegt und mit feierlichem Ernst diesen Schritt, mit dem er alle politischen Beobachter und selbst Vertraute überrascht hat: "In einem Kontext, wo die Terror-Bedrohung größer ist denn je, kann ich als Sozialist eine Zersplitterung der Linken nicht zulassen, denn das würde ihr jede Hoffnung nehmen, gegen den Konservatismus zu gewinnen."

Innerparteilicher Kampf vorhersehbar

Seit Donnerstag konnten sich alle Kandidaten für die Vorwahlen der Linken anmelden, die Ende Januar stattfinden sollen. Und tatsächlich gingen bereits eine Reihe Bewerbungen von Vertretern der unterschiedlichen Strömungen ein, darunter auch jene von Hollandes Ex-Ministern Arnaud Montebourg und Benoît Hamon. Sie machten einen unerbittlichen innerparteilichen Kampf vorhersehbar. Der Präsident, der nicht nur in der Bevölkerung unbeliebter ist als jeder seiner Vorgänger, sondern auch in seinem eigenen Lager höchst umstritten, verzichtet nun darauf, sich dieser erniedrigenden Abstimmung zu stellen.

Stattdessen macht er den Weg frei für einen Alternativkandidaten. In den vergangenen Wochen waren mehrere Namen genannt worden, darunter auch die der früheren Justizministerin und Ikone der Linken, Christiane Taubira, sowie der früheren Präsidentschaftskandidatin und Hollandes Ex-Partnerin, Ségolène Royal. Am besten positioniert erscheint aber der 54-jährige Premierminister Manuel Valls, obwohl auch er aufgrund seines autoritären Auftretens und als Zugehöriger des rechten Flügels Feinde in der Partei hat – und er vertritt Hollandes Bilanz mit.

Erst am Wochenende hatte der ehrgeizige, aber als loyal geltende Valls den Druck auf den Präsidenten erhöht, indem er in einem Interview erklärte, die von Hollande aufrecht erhaltene Ungewissheit über den Kandidaten der Sozialisten schade der Linken erheblich. Um unmissverständlich anzufügen: "Ich bin bereit." Nach einer Aussprache schienen die beiden Männer zu Wochenbeginn ihre Meinungsverschiedenheit beigelegt zu haben und allgemein wurde die Kandidatur Hollandes erwartet.

Hollande verteidigt Regierungs-Bilanz

Sein Abtreten lässt sich auch als Versuch interpretieren, aller Kritik zum Trotz mit erhobenem Haupt seine Amtszeit zu beenden. So verteidigte der Präsident in der Ansprache seine Bilanz, von der erfolgreichen Reduzierung des Defizits über die von ihm durchgesetzte Territorialreform bis zum Weltklimagipfel vor einem Jahr in Paris. Auch für seine politischen Gegner hatte er jeweils ein Wort bereit. Die extreme Rechte "rufe zur Abkapselung, zum Rückzug aus Europa und der Welt auf" und das sei höchst gefährlich. Hinsichtlich des konservativen Kandidaten François Fillon, der am Sonntag gewählt worden war, erklärte Hollande, er respektiere dessen Persönlichkeit und bisherigen Weg. "Aber ich denke, dass die Projekte, für die er steht, unser Sozialmodell in Frage stellen."

Während Fillon in einer ersten Reaktion erklärte, Hollande gestehe "mit Klarsicht sein Scheitern ein", lobte der Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis dessen "Eleganz und Weitblick". Auch der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der ebenfalls seine Kandidatur mit seiner eigenen Partei "En marche!" ("In Bewegung!") angekündigt hat, lobte die "mutige und würdige Entscheidung" seines früheren Mentors. Manuel Valls nannte Hollandes Entscheidung "schwierig, reif und schwer – es ist die Entscheidung eines Staatsmannes". Mit Mut und Kaltblütigkeit sei der Präsident den Proben begegnet, denen Frankreich ausgesetzt war.

Hollande selbst blieb nur die Versicherung, seine Amtszeit gut zu Ende zu bringen: "In den kommenden Monate wird es meine einzige Pflicht darin bestehen, das Land zu führen."