Zum Hauptinhalt springen

Hollandes Angst vor der französischen Tea Party

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Aus Angst vor dem rechtskonservativen | Protest knickt die Regierung ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Paris. Vor ein paar Wochen noch erntete François Hollande großes Lob für seine viel beachtete Pressekonferenz: Endlich zeigt der französische Präsident mit einem klaren wirtschaftspolitischen Kurs Courage, lautete damals der Tenor. Doch nun erweist sich die Rede vom "neuen Hollande", der mit fester und nicht mehr mit wackelnder Hand führt, als verfrüht: Nach den Massenprotesten vom Wochenende hat die französische Regierung nun ihr geplantes Familiengesetz zurückgezogen.

Die Rechtfertigung mit einem "dichten parlamentarischen Kalender" überzeugte allerdings so wenig, dass Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem sich nur kurze Zeit später zur Abgabe einer anderen Erklärung genötigt sah: Im aktuellen Kontext der "Hysterisierung" mache das Gesetz keinen Sinn, sagte Vallaud-Belkacem. Nun wird zumindest ein Jahr vergehen, bis die neuen Regelungen etwa zur Adoption durch Stiefeltern, mit denen Familienministerin Dominique Bertinotti das Recht an die heutige "Vielfältigkeit von Familienmodellen" anpassen wollte, im Parlament diskutiert werden können.

Die Protestler unter der Führung der Bewegung "Manif pour tous" ("Demo für alle") jubeln nun über ihren Sieg. Benannt in Anspielung an Hollandes "Ehe für alle" hatte sich "Manif pour tous" 2012 im Umfeld wertkonservativer und streng katholischer Kreise gegründet, um die Legalisierung der Homo-Ehe zu verhindern. Mit diesem Ansinnen ist die Bewegung zwar gescheitert, doch im Kampf gegen den befürchteten Werteverlust und die "Familienfeindlichkeit der Regierung" werden seither stetig neue Ziele angepeilt. Im Widerstand vereint sich dabei eine heterogene Menge aus Strenggläubigen, Abtreibungsgegnern, Anhängern des wegen antisemitischer Sprüche ins Visier der Regierung geratenen Komikers Dieudonné und aus Rechtsradikalen. Und auch bei der Wahl der Mittel sind die Mitglieder der Bewegung nicht unbedingt zimperlich: So hatten einige Eltern ihre Kinder nicht in die Schule geschickt, aufgeschreckt von der Warnung, dort würden die biologischen Unterschiede der Geschlechter geleugnet und Homosexualität beworben. Tatsächlich auf dem Lehrplan stand das Thema Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

Innenminister Manuel Valls warnt in diesem Zusammenhang bereits vor einer "französischen Tea Party" als "einem Aufstand der Antis: Anti-Eliten, Anti-Staat, Anti-Steuern, Anti-Parlament". Und wie die amerikanische, so lässt sich auch die französische Regierung unter Druck setzen, etwa beim Protest gegen die Steuerpolitik: So kippte sie eine Lkw-Maut, eine höhere Besteuerung von Diesel oder von Bausparverträgen.

Französische Politik-Experten sehen die Bürger-Proteste zunehmend auch als Oppositionsersatz, da Frankreichs rechtskonservative UMP in der Führungskrise steckt. Sie laviert zwischen Solidarität für die Demonstranten und Distanzierung von antidemokratischen Kräften. In der Zwickmühle steckt auch der rechtsextreme Front National (FN), der sich einerseits als Vertreter traditioneller Werte profilieren will, andererseits von radikalisierten Gruppen abrückt, besorgt um sein Image.