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Hollandes Plan und die Entmerkelung Europas

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Frankreichs angeschlagener Staatschef wünscht sich noch mehr Schulden für die EU - und riskiert damit eine Rückkehr der Euro-Krise.


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Nicht wenige Menschen - nicht nur in Frankreich - werden Präsident François Hollande wohl eher freundlich zustimmen, wenn er jetzt "einen Kurswechsel in Europa" fordert: Die EU müsse "Wachstum, Beschäftigung und Investitionen" an die Stelle der berüchtigten "Sparpolitik" Angela Merkels stellen, forderte er am Tag nach seiner spektakulären EU-Wahlniederlage. Klingt ja auch irgendwie gut, "Wachstum, Beschäftigung, Investitionen", wer könnte da schon dagegen sein.

Leider ist das in Wahrheit eine gefährliche Drohung - nicht nur für Frankreich, sondern für die ganze EU und nicht zuletzt den Euro. Denn die Botschaft ist eindeutig: noch mehr Schulden. Ohne Schulden wird nämlich Frankreich keinen einzigen Euro zusätzlich investieren können. Und das in einer Republik, deren (sozialistischer) Arbeitsminister vor etwas mehr als einem Jahr dankenswert explizit erklärte, sie existiere zwar "als Staat" noch, sei aber "vollkommen pleite"; die 2013 stolze 4,3 Prozent Budgetdefizit erwirtschaftete, nicht nur weit jenseits der im Euroraum zulässigen 3 Prozent, sondern auch deutlich über dem von der Regierung selbst definierten und höchst unambitionierten Sanierungspfad; und die angesichts ihrer schieren Größe nicht wirklich damit rechnen kann, im Fall des Falles vom deutschen Steuerzahler diskret vor der Insolvenz bewahrt zu werden wie das kleine Griechenland.

Dass Hollande, der in Wahrheit seit seinem Amtsantritt so wenig "Sparpolitik" betrieben hat wie eine shoppingsüchtige Französin in den Glitzerläden der Pariser Rue Faubourg Saint-Honore, nun auch noch mehr Schulden für ganz Europa fordert, hat einen einzigen Grund: Er weiß dem erfolgreichen Populismus der französischen Rechten nichts anderes mehr entgegenzusetzen.

Setzt sich Hollande in der EU mit seiner Forderung durch - was nicht sicher, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich ist, seine Antagonistin Merkel agiert in diesen Dingen ja eher situationselastisch -, droht nicht nur der abgewirtschafteten Nicht-mehr-Grande-Nation weiteres Ungemach, sondern der ganzen Eurozone eine Rückkehr der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Hollande wird bei seiner Forderung nach einer wirtschaftspolitischen Entmerkelung Europas Verbündete finden: Vor allem der krisengeplagte Süden rückte bei der EU-Wahl politisch ein gutes Stück nach links, was natürlich den dort nötig gewordenen finanzpolitischen Aufräumarbeiten und ihren sozialen Folgen geschuldet ist. Die Forderung nach einer Rückkehr zu unbekümmerten Schuldenwirtschaft wird dort kaum auf empörte Ablehnung stoßen. Das wird sich auch auf die bisher etwas solider agierenden Euroländer auswirken. Denn dass ein Teil der EU unter französischer Führung quasi eine Lizenz zum weiteren Überschulden erhält, während Deutsche oder Österreicher am Klopapier für die Schulen sparen, wird auch dem gutmütigsten Wähler nicht mehr zu vermitteln sein.

Entsorgt aber die ganze Eurozone unter Frankreichs Druck den schon jetzt nicht sehr engagierten Sparkurs bei den öffentlichen Budgets, darf man auf die Reaktion der Gläubiger an den Finanzmärkten gespannt sein. Die haben Europa schon einmal wegen der Überschuldung einzelner Euroländer an den Rand einer Katastrophe gebracht; Hollande riskiert nun ein Dacapo.