Großes Potenzial für Rechtspopulisten auch in Deutschland. | Berlin. Hollands Haider kommt nach Berlin. Und die Aufregung über den Besuch ist seit Tagen groß - nicht nur, weil der 47-jährige Geert Wilders, Chef der "Partei für die Freiheit", am Samstag dazu aufrufen will, "die geistige Mauer der Leugnung der Lebensgefährlichkeit des Islam" einzureißen. Und auch nicht nur, weil er, der in den Niederlanden auch nach dem verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider benannt wird, für sein Bündnis von Islam-Gegnern werben will: der "Geert Wilders International Freedom Alliance".
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Seit der ehemalige Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin vor einem Monat sein Buch "Deutschland schafft sich ab" veröffentlicht hat, wird öfter als bisher die Frage gestellt, ob es nicht auch in der Bundesrepublik ein größeres Potenzial für eine rechtspopulistische Partei gibt.
Seine Heimat verdummt - und zwar wegen einer wachsenden Zahl an Muslimen: Das behauptet Sarrazin in seinem Buch. Der Aufschrei war enorm. "Deutschland schafft sich ab" kostete Sarrazin letztlich seinen Arbeitsplatz, und geht es nach den meisten der SPD-Spitze, soll es ihn auch die Parteimitgliedschaft kosten. Doch groß war der Aufschrei auch aus der anderen Richtung: Endlich einer, der die Probleme beim Namen nennt. Ob Sarrazins Thesen aber stimmen, war unwesentlich. Seit einigen Jahren wird das Potenzial für eine rechtspopulistische Partei in Deutschland mit 10 bis 15 Prozent beziffert.
Bisher aber gibt es hier keine Partei wie die FPÖ oder jene von Wilders. Einen Grund dafür sieht der niederländische Politikwissenschaftler Ruud Koopmans vom Wissenschaftszentrum Berlin darin, dass sich Deutschland erst vor einigen Jahren deutlich in Richtung Zuwanderung geöffnet hat: So fand beispielsweise 2006 die erste Islamkonferenz statt, die den Dialog zwischen dem deutschen Staat und den hier lebenden Muslimen fördern soll. "Das heißt aber auch, dass es Deutschland nun mit Widerstand zu tun bekommt", sagt Koopmans. Der Widerstand kommt von jenen, die "diffuse Unzufriedenheit" spüren: Der Wohlfahrtsstaat werde aufgeweicht, immer mehr Entscheidungen würden "weit weg" in Brüssel gefällt und man fühle sich "bedroht" von Zuwanderern. Wird Rene Stadtkewitz hier punkten können? Der ehemalige CDU-Politiker - bis vor kurzem weitgehend unbekannt - hat im September eine eigene Partei gegründet: Die Freiheit. Man wolle nicht, zitiert ihn die "Zeit", "tatenlos mitansehen, wie einige durchs Land gejagt werden, nur weil sie den Finger in die Wunde legen". Damit spielt Stadtkewitz auf Sarrazin an. "Die Freiheit" wendet sich gegen die "nicht demokratisch legitimierte Herrschaft des Brüsseler Zentralstaates, der immer mehr Kompetenzen seiner Mitgliedsländer an sich reißt" und "gegen die Ausbreitung totalitärer Ideologien, insbesondere den politischen Islam".
Stadtkewitz, im Vorstand der islamkritischen "Bürgerbewegung Pax Europa", war 2009 aus der CDU ausgetreten, aber im Parlamentsklub der Stadt Berlin geblieben. Anfang September hat ihn der Klub von dort ausgeschlossen - denn Stadtkewitz hat sich geweigert, Wilders, den er für heute nach Berlin eingeladen hat, wieder abzusagen. Für Stadtkewitz ist der Besuch des holländischen Rechtspopulisten nun die perfekte Werbung.