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Den Haag. Am 26. August traten die Spitzenkandidaten der vier größten Parteien zum ersten Mal gemeinsam vor die Kamera. Für den Sozialdemokraten Diederik Samsom war dies der Auftakt zu einer beispiellosen Aufholjagd. Für sein überzeugendes Auftreten wurde der 41-Jährige nach beinahe allen Debatten von Zuschauern und Analysten zum Sieger erklärt. Die Sozialistische Partei (SP) verlor zahlreiche Wähler an die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA), inzwischen wird in den niederländischen Medien darüber spekuliert, ob Samsom genügend Stimmen gewinnen kann, um Mark Rutte als Premier abzulösen. Mit je 35 Sitzen liegen die Sozialdemokraten und die Rechtsliberalen laut einer aktuellen Umfrage von "Ipsos Synovate" gleichauf.
Bislang galt Samsom als Hitzkopf, der in Diskussionen schnell spricht und beinahe aggressiv seine Position verteidigt. Sein Auftreten in den Wahlkampfdebatten hat dieses Bild verändert. Samsom argumentiert ruhig und besonnen, er lässt sein Gegenüber aussprechen, geht kurz auf dessen Argumente ein, um schließlich seinen eigene Standpunkt deutlich zu machen. Samsom gehört zum linken Flügel der Partei. Er habe der PvdA wieder die "roten Federn angezogen", drückte es Rutte aus und wies darauf hin, dass sich der Abstand zwischen der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und der Arbeiterpartei nun wesentlich vergrößert habe.
Samsom wird als ambitioniert und idealistisch beschrieben, schon als Teenager soll er sich für Greenpeace begeistert haben. Während seines Kernphysikstudiums begann er 1995 seine Arbeit bei der Umweltorganisation. Seit 2003 sitzt Samsom für die Arbeiterpartei im Parlament, im März dieses Jahres wurde er zum neuen Fraktionschef gewählt. Der PvdA-Parteivorsitzende Hans Spekman erzählt in der Tageszeitung "De Volkskrant", dass Samsom sofort nach seinem Amtsantritt begonnen habe, ein Konzept zu entwickeln, wie sich die Arbeiterpartei nach dem Fall der Regierung aufstellen müsse. Nur einen Monat später reichte Premierminister Rutte bei der Königin den Rücktritt des Kabinetts ein. Die PvdA war bereit für den Wahlkampf.
Ende Juni ließ sich Samsom für einen Wahlwerbespot gemeinsam mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter filmen. Dass Politiker ihre Familie zeigen, ist in den Niederlanden eher die Ausnahme, mehrere Zeitungen beschrieben den Film als eine amerikanische Wahlkampfmethode. Vor allem der Auftritt seiner behinderten Tochter hat ihm Kritik eingebracht. Im neuen Spot der Arbeiterpartei ist das Privatleben des Politikers kein Thema mehr. Eine Nahaufnahme zeigt sein Gesicht, der Spitzenkandidat verkündet seine Botschaft: Er wolle die niederländische Gesellschaft sozialer und die Wirtschaft stärker machen.
Die Berechnungen des "Centraal Planbureau" (CPB), einem Amt für ökonomisch-politische Analyse, das dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, bedeuteten für die PvdA allerdings einen Rückschlag: Ausgerechnet die Partei, die sich Wirtschaftswachstum auf die Fahne geschrieben hatte, schneidet im Vergleich mit den anderen Parteien auf diesem Gebiet schlechter ab. Die Zahlen des CPB wurden in den Medien umfassend diskutiert, auf die Wähler scheint die Analyse weniger Eindruck zu machen. In der Endphase des Wahlkampfs rückt der Inhalt in den Hintergrund und dreht sich alles um die Person. Einer Umfrage des Meinungsforschers Maurice de Hond zufolge würden sich bei einem direkten Vergleich mehr Niederländer für den Sozialdemokraten Diederik Samsom als für den Rechtsliberalen Mark Rutte als Regierungschef entscheiden.