Zum Hauptinhalt springen

Holz schlägt Stahl und Beton

Von Eckart Granitza

Wissen
Der erste Windkraftturm aus Holz in der Bauphase.
© Timber Tower

Erster Windkraftturm aus Holz erweist die großen Vorteile dieses Materials.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Berlin. Windkrafträder sind aus der Energieversorgung Deutschlands nicht mehr wegzudenken: Mehr als sieben Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland werden derzeit durch Windenergie erzeugt, in Zukunft soll es noch viel mehr werden. Allerdings bestehen die Riesen derzeit noch ausschließlich aus Stahl und Beton. Das birgt viele Nachteile wie etwa eine recht kurze Lebensdauer von etwa 20 Jahren, starke Lärmentwicklung und teure Schwertransporte, die den Verkehr über Stunden lahmlegen können. Ein Bauingenieur und ein Betriebswirt aus Niedersachsen hatten nun die pfiffige Idee, die Türme einfach aus Holz aufzubauen. Dafür haben sie die Firma Timber Tower gegründet, die kürzlich den weltweit ersten 100 Meter hohen Holzturm auf dem Gelände der Universität Hannover aufgestellt hat.

Ökologisch kaum zu toppen

"Holztürme haben sogar eine längere Lebenszeit als Stahlbetonmasten, da Holz die Schwingungen, die bei der Windkraftanlage durch die Rotation des Propellers und den Wind entstehen, wesentlich besser übersteht als Stahl oder Stahlbeton", sagt der Erfinder der Holztürme, Bauingenieur Gregor Prass. "Und bricht ein Feuer aus, erhitzt sich eine Stahlkonstruktion, wird weich und kracht plötzlich zusammen. Holz dagegen bleibt länger standhaft", behauptet der Windmühlenbauer. Besonders wichtig sei ein großer Querschnitt der Holzplatten, denn Feuer lässt auf der Holzoberfläche eine isolierende Ascheschicht entstehen, die die inneren Schichten dann schützt.

Der entscheidende Vorteil der Holztürme ist aber, dass man sie einfach gut transportieren kann. Während die großen Stahlrohr- oder Stahlbetonmasten auf riesige Schwertransporter verladen werden müssen, für die ganze Autobahnen und Straßen stundenlang gesperrt werden, kann man die Bretter für die Holzmasten auf einem normalen Laster transportieren. Aufgebaut werden die Türme dann einfach am Ort. "Außerdem ist der Turmdurchmesser bei Stahlbeton- und Stahlrohrtürmen durch die Durchfahrtshöhe von Autobahnbrücken beschränkt. Da sich die Türme aus statischen Gründen konisch nach unten verdicken, ist bei etwa 120 Meter Turmhöhe Schluss. Denn dann passt der Fuß nicht mehr durch die maximal 4,20 Meter hohen Autobahnbrücken", erklärt Prass.

Das Timber Tower Konzept ist von dieser Beschränkung befreit. Da die Türme an Ort und Stelle aufgebaut werden, können beliebige Turmdurchmesser konstruiert werden. "Das ist deshalb ökonomisch so interessant, da bei der Windenergie die Turmhöhe der entscheidende Punkt zur Wirtschaftlichkeit einer Anlage darstellt. Jeder Meter mehr Höhe bringt circa ein Prozent mehr Stromertrag", sagt Holger Giebel, der für die Wirtschaftlichkeit der Anlage zuständig ist. Schon jetzt kann die 100 Meter hohe Holzwindanlage bei voller Auslastung 1000 Haushalte mit Strom versorgen. In Zukunft wollen die Ingenieure aber noch höher bauen. Bei einer Höhe von 165 Metern könnte die Windkraftanlage dann in Spitzenzeiten für 1500 bis 2000 Haushalte Strom produzieren.

Und auch ökologisch ist der Holzturm kaum zu toppen, meint der unabhängiger Gutachter des Deutschen Institutes für Bautechnik Borimir Radovic. Er beschäftigt sich schon sein ganzes Leben mit Holzbauten und schwört auf das Material: "Holz ist ein Naturprodukt, ein nachwachsender Baustoff, der zudem CO² bindet und so unsere Natur schützt. Im Gegensatz dazu verbraucht die Herstellung von Stahlbeton eine Menge Kohle und setzt dadurch viel CO² frei", sagt Radovic. Außerdem könne das Holz meist ganz in der Nähe so eines Turmbaus geschlagen und verarbeitet werden, während das Erz für den Stahlbeton von weit her transportiert werden muss. So würden die Stahlbetontürme zu ihrer Herstellung fast die doppelte Energie verbrauchen.

Weniger Lärm und billiger

Gegen Wind und Wetter soll den Holzturm eine spezielle Kunststoffschicht wappnen. Stabiler als Stahl sei der neue Holzturm nicht zuletzt wegen des speziellen Baumaterials: Brettsperrholz. Die kreuzweise übereinander gestapelten und miteinander verleimten Fichtenbretter können die Eigenbewegungen des Holzes reduzieren. Das haben die Ingenieure in langen Testreihen in der Universität Hannover herausgefunden. Das Ergebnis der Testreihen und der Berechnungen des Bauingenieurs ist ein mehreckiger, geschlossener Holzturm, schlank und nach oben hin schmaler als seine Stahl-Verwandten. Im Inneren steckt ein hölzernes Gerüst, das die 30 Zentimeter dicken Brettsperrholzplatten trägt. Ein Vorteil dieses Hohlkörpermastes: Die anfallenden Lasten verteilen sich nicht in eine Richtung, wie bei Balken oder Stützen, sondern auf alle Seiten. "Außerdem dämpft ein Holzturm die Geräusche einer Windkraftanlage", sagt Prass.

Ein entscheidendes Argument zugunsten der Holzriesen ist laut Giebel auch der Preis: Denn Holz ist nach wie vor wesentlich billiger als Stahl, und Deutschland hat nicht nur große Holzvorräte, der Baustoff wird auch viel weniger genutzt, als er nachwächst. Nach Berechnungen der Niedersachsen ist der Holzturm in Serienproduktion inklusive Transport und Montage zwischen 10 und 20 Prozent billiger als die Stahlbetonmasten. Das ist auch für den Windanlagenhersteller Vensys Energy aus Saarbrücken ausschlaggebend, der den Prototypen mit Timber Tower aufgestellt hat.

Erfüllt der Hannoveraner Holzturm die Erwartungen seiner Konstrukteure, soll die Serienproduktion schon 2014 anlaufen. Vor allem die wachsenden Windenergiemärkte in Nordamerika und Asien, die häufig noch nicht mit einer guten Infrastruktur ausgestattet sind, will Timber Tower mit seinem Transportvorteil erobern. "In Deutschland wird der Holzturm vor allem da zum Einsatz kommen wo eine hohe Nabenhöhe, also über 120 Meter, gebraucht wird, wie zum Beispiel in Waldgebieten und wo man nicht mit einem Schwerlaster hin gelangen kann", meint Giebel.