)
Disloziertes Arbeiten sorgte erst für Euphorie, dann stellte sich mancherorts Ernüchterung ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Plötzlich war Pandemie - und das vermehrte Arbeiten von zu Hause aus wurde über Nacht zur Notwendigkeit. Die organisatorische und technische Umstellung auf einen Digital Workplace in den eigenen vier Wänden ging für die meisten Unternehmen jedenfalls in viel zu kurzer Zeit vonstatten. Dennoch ist diese aufgezwungene Veränderung auch positiv zu betrachten. Insbesondere der klassische österreichische Mittelstand hat - unabhängig von der Branche - das Homeoffice überhaupt erst als attraktive Option für seine Mitarbeiter entdeckt. Und die Bedeutung steigt weiter: Am Arbeitsmarkt zeichnet sich bereits ab, dass Mitarbeiter in bestimmten Fachgebieten ohne eine Homeoffice-Möglichkeit kaum noch zu gewinnen sind.
In einer karriere.at-Umfrage vorigen Winter befürworteten mehr als 90 Prozent der Arbeitnehmer das Konzept Homeoffice auch für die Zeit nach der Krise. Heute, noch immer mitten in der Pandemie, sollen wir zum Schutz unserer Gesundheit ortsunabhängiger arbeiten denn je.
Doch welches Zeugnis kann dem dislozierten Arbeiten nach bald zwei Pandemie-Jahren ausgestellt werden? Nach der ersten Euphorie, dass das Arbeiten auf Distanz besser klappt als erwartet, stellte sich mancherorts Ernüchterung ein. Viele Unternehmer begingen den Fehler, den Umgang mit modernsten Kommunikationstechnologien bei allen Mitarbeitern als selbstverständlich vorauszusetzen. Oft wurde daher viel zu wenig Zeit für Technologie-Schulungen bereitgestellt. Die wenigsten Kollaborationstools oder Cloud-basierten Telefonanlagen sind so selbsterklärend, dass alle Anwender sich sofort darin zurechtfinden. Zudem musste das effiziente Zusammenarbeiten auf Distanz erst eingeübt werden - auf zwischenmenschlicher und auf fachlicher Ebene. Das braucht mehr Zeit, als meist gewährt wurde.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Haas School of Business deutet darauf hin, dass ein Zuviel an Remote Work die Zusammenarbeit im Unternehmen verschlechtern und sogar die Silobildung zwischen Abteilungen begünstigen kann. Klar ist, dass die informelle Kommunikation im Unternehmen als erstes leidet, wenn zum Beispiel das gemeinsame Kaffeetrinken wegfällt. Diese echte, persönliche Kommunikation kann auch in eigens geschaffenen, digitalen Settings nur schwer ersetzt werden - was fatal für das Teamgefüge ist und daher dringend anders gedacht werden muss.
Die Lösung dieses Dilemmas könnte in hybriden Arbeitsformen liegen, wie sie etwa die Beratervereinigung Shift Collective postuliert: Demnach geht der Trend zum 3+2-Modell - also drei Büro- und zwei Remote-Work-Tage oder umgekehrt. Dabei empfiehlt es sich, die unterschiedlichen Charaktere und Vorlieben der Mitarbeiter sowie ihre Lebenssituationen - Stichwort Homeschooling - zu berücksichtigen. Damit das Arbeiten im Homeoffice langfristig gut gelingen kann, muss jedes Unternehmen eine individuelle Form von Vertrauensarbeit auf Distanz entwickeln - abhängig von Unternehmenskultur und Mitarbeitern.