Zum Hauptinhalt springen

Homeoffice: Hausmüll wiegt Minus bei Gewerbeabfall nicht auf

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Masken und auch Einweghandschuhe aus Kunststoff gehören in den Restmüll.
© adobe.stock/ praditkhorn

Österreichs Abfallwirtschaft rechnet mit Umsatzrückgängen von bis zu 15 Prozent.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Betrachtet man allein die Menge, wiegt das Mehr an Hausmüll, das während der Corona-Krise produziert wurde, das Minus beim Gewerbeabfall nicht auf. Was Umweltschützer freut, bedeutet für die Entsorgungsbetriebe ein schlechteres Geschäft. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen seit Mitte März haben die Menschen zuhause zwar um 15 bis 20 Prozent mehr weggeworfen, sagt Daisy Kroker, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB), zur "Wiener Zeitung".

Von Industrie und Gewerbe fehlten dafür in Summe rund 20 Prozent, weil anfangs die Bauwirtschaft und bis 15. Mai die Gastronomie und Hotellerie komplett geschlossen waren. Weil aber die "Siedlungsabfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen", wie man den Hausmüll auch nennt, lediglich 6,6 Prozent des gesamten Abfalls ausmachen, füllen die überschüssigen 20 Prozent den fehlenden Anteil beim Gewerbeabfall bei Weitem nicht auf.

Kunststoffpreise gesunken

Und auch preislich kann das Plus das Minus nicht wettmachen - obwohl diese Rechnung nicht ganz so einfach ist. Denn der Hausmüll ist wertvoll, weil er Wertstoffe wie Papier, Glas und Kunststoff enthält. Er wird allerdings nicht so gut getrennt wie der Gewerbeabfall, konkret achten laut VOEB nur 85 Prozent der Österreicher auf Mülltrennung. Das ist im Vergleich zum EU-Durchschnitt von rund 60 Prozent zwar viel - aber nicht genug.

"Die Corona-Krise wird daher zu Umsatzrückgängen in der Branche führen", sagt Kroker. Diese seien freilich sehr unterschiedlich und abhängig davon, ob die Entsorgungsbetriebe mehr oder weniger Müll zum Beispiel aus Gastronomie und Hotellerie oder Industriebetrieben, die ihre Produktion hinuntergefahren haben, entsorgen. "Durchschnittlich sind es aber sicherlich zehn bis 15 Prozent."

Dazu komme, dass für gewisse Wertstoffe die Preise gefallen seien: zum Beispiel für Kunststoffe. "Der Kunststoffpreis orientiert sich am Rohölpreis", sagt dazu Erwin Czesany, Geschäftsführer der Bundesinnung der Chemischen Gewerbe und der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger in der Wirtschaftskammer Österreich. Der durchschnittlich realisierte Rohölpreis im Upstream war verglichen mit dem vierten Quartal 2019 von 61,0 auf 46,8 Dollar pro Fass zurückgegangen und hat sich mittlerweile stabilisiert. Der Kunststoffpreis ist zwar nicht im selben Ausmaß, aber doch gesunken.

Altpapier könnte profitieren

Beim wiederverwerteten Kunststoff aus den Abfällen führte das laut Kroker zu Absatzproblemen. Denn unter anderem das Aussortieren mache den wiederverwerteten, sogenannten Sekundärkunststoff teurer als jenen, der neu hergestellt werde. Der VOEB fordert daher seit Jahren für einen verpflichtenden Anteil an Sekundärkunststoffen in der Neuproduktion, wie es ihn derzeit noch nicht gibt.

Andere Wertstoffe wiederum könnten von der Corona-Krise sogar profitieren, wie etwa Altpapier. Doch nein, das sei nicht dem zwischenzeitlich exorbitant hohen Absatz an Klopapier geschuldet, heißt es aus der Branche. "Das Toilettenpapier hat nur einen Anteil von unter 10 Prozent. Ein viel größerer Anteil des Altpapierverbrauchs entfällt zum Beispiel auf Wellpappe und Karton." Verpackungsmaterial also, dessen Nachfrage aufgrund der gestiegenen Anzahl an Online-Käufen gestiegen ist. Andererseits falle aber auch einiges an Verpackungsmaterial weg, weil zum Beispiel große Einkaufszentren geschlossen hatten. Wie der Altpapierpreis konkret darauf reagieren werde, sei noch abzuwarten, heißt es aus der Branche. Grundsätzlich gehe man davon aus, dass er steigen werde, wie es etwa in Italien und England bereits der Fall sei. Tatsache sei, dass die höheren Altpapierpreise bereits mit dem wirtschaftlichen Abschwung in der zweiten Hälfte des Vorjahres begonnen hätten, zu fallen. Es gebe also einiges aufzuholen.

Die Preise für den Abfall haben europaweit ein ähnliches Niveau. Sie sind enorm wichtig, denn Abfall ist ein Handelsgut. Unseren Müll im Ausland verbrennen zu lassen, komme zwar nicht billiger, sagt dazu VOEB-Präsident Hans Roth, es ist aber mitunter näher. Usus sei daher, näherliegende Müllverbrennungsanlagen aufgrund der kürzeren Transportwege zu bevorzugen, auch wenn sie auf der anderen Seite der Grenze liegen. Und das sei auch einer der Hauptgründe, warum Österreich in der - auf den ersten Blick kuriosen - Situation ist, nahezu gleich viel Müll zu importieren wie zu exportieren. "Rund 700.000 Tonnen werden importiert, wir exportieren aber auch die gleiche Menge - allerdings nie ohne Genehmigung durch das Umweltministerium", sagt Roth. Insgesamt produziert Österreich mehr als 65 Millionen Tonnen Müll pro Jahr (inklusive Bodenaushub). Etwas mehr als die Hälfte des Mülls wird laut Roth recycelt.

Österreichischer Müll landet somit vor allem in den Nachbarländern wie in der Slowakei, wenige Kilometer von der Grenze entfernt. Das Zementwerk in Mannersdorf ist weiter von den grenznahen Ortschaften weg. Neben der Müllverbrennungsanlage ist ein Zementwerk wie dieses die zweite Möglichkeit der Energiebeschaffung durch Abfall als Brennstoff.

Müll ist kein starrer Markt

Für jede ins Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde gibt es zwischen drei und fünf Cent (Haushaltskunden zahlen inklusive Steuern, Abgaben und Netzgebühren rund 18 Cent). Gleichzeitig muss man in Österreich laut Roth zwischen 100 und 170 Euro an die Müllentsorger zahlen, um eine Tonne Abfall verbrennen zu lassen.

Müll ist kein starrer Markt. In den vergangenen Jahren haben sich rege Müll-Ströme entwickelt. Die Briten etwa, deren Land zu wenige Verbrennungskapazitäten und hohe Deponiesteuern bietet, bringen ihren Müll vor allem nach Holland und Deutschland. Das führte wiederum zu einer Vollauslastung der deutschen Anlagen, wodurch die Zahl der Müll-Importe nach Österreich gestiegen ist. Seit einigen Jahren drängen Roth zufolge immer mehr Abfallmengen aus Deutschland, aber auch der Schweiz, Ungarn und Slowenien nach Österreich. Hauptgründe dafür seien nationale Gesetzgebungen und hohe Steuern. In Österreich gilt seit 2004 die Deponieverordnung, die das Entsorgen von Abfällen streng regelt. Etwa zwei Drittel der 28 EU-Länder betreiben jedoch nach wie vor Mülldeponien. Noch immer werden Roth zufolge jährlich rund 90 Millionen Tonnen Abfall in Europa deponiert. Aufgrund der Corona-Krise nun vielleicht etwas weniger.