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Homeoffice und seine Nebenwirkungen

Von Monika Jonasch

Wirtschaft
Mit dem Arbeitsstress ist man im Homeoffice ganz alleine.
© stock.adobe.com / Arsenii

Die größte Veränderung im Arbeitsumfeld seit Jahrzehnten hat viele Begleiterscheinungen, nicht alle sind positiv, manche sogar paradox.


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In 71 Prozent aller Betriebe in Österreich wurde in den ersten beiden Pandemiejahren Homeoffice praktiziert. Für mehr als zwei Drittel der Beschäftigten war dies eine neuartige Arbeitserfahrung, konstatiert die "Homeoffice-Studie" des Bundesarbeitsministeriums (BMA, 2021).

Obwohl die Erfahrungen mit dem Verlagern der Arbeit in die privaten Wohnräume der Mitarbeiter großteils positiv waren, gibt es durchaus auch bedenkliche Nebenwirkungen, fand die Arbeiterkammer (AK) in ihrer Untersuchung "Psychische Gesundheit im Home Office" heraus.

Zu wenig Kommunikation

Vor allem beim Zwischenmenschlichen, also bei allem, was Kooperation und Kommunikation betrifft, gibt es beim Arbeitsplatz zu Hause neue Herausforderungen. So fehlt etwa die Unterstützung unter Kollegen bei arbeitstechnischen, technischen und sozialen Problemen. Stressauslöser Nummer eins ist bei 35,3 Prozent der Heimarbeiter der fehlende Austausch mit Kollegen, so der "Wohlfühlreport Home Office 2022".

Aber auch der Kontakt mit Führungskräften - und verbunden damit die stimmige Verteilung der Arbeit - leidet unter einem Kommunikationsmangel. Arbeit muss für virtuelle Teams bewusster geplant, teils umverteilt und neu strukturiert werden, sonst ist sie für Einzelne nicht mehr bewältigbar. Dann stehen Arbeitsleistung, Produktivität und Zufriedenheit auf dem Spiel, gibt die AK-Studie zu bedenken.

Der "Wohlfühlreport" fand diesbezüglich heraus: "28 Prozent der in den europäischen Ländern Befragten geben an, dass die Menge der zu bewältigenden Aufgaben (Arbeitspensum) zugenommen hat, und bei 25,2 Prozent hat sich die Arbeitszeit erhöht. Gleichzeitig geben 36 Prozent an, dass sie eine bessere Work-Life-Balance und mehr Zeit für Familie und Freunde haben." Die Studie hat für diese scheinbar widersprüchlichen Angaben den Begriff "Homeoffice Paradoxon" geprägt. Dieses Paradoxon entsteht durch weniger Zeitaufwand für den Arbeitsweg, flexiblere Zeitplanung sowie gute Organisation. Dennoch ist dies nur der Idealfall der Homeoffice-Nebenwirkungen.

Sind Arbeit und Privatleben hingegen schlecht abgrenzbar, stören sie sich gegenseitig. Macht die technische Ausstattung auch noch Probleme, kippt die Homeoffice-Zufriedenheit schnell um in Frust und Stress.

Kommt dann noch ein Zuviel an Kommunikation hinzu, etwa durch unzählige Online-Meetings, wird es nachweislich gesundheitsschädigend. Das ist gar nicht so selten der Fall. Immerhin verbringen 93 Prozent der Büroarbeiter im Homeoffice täglich mindestens zwei Stunden in Videokonferenzen. Bei einem Drittel machen die Online-Meetings sogar die Hälfte des Arbeitstages aus, ergab eine weltweite Umfrage im Auftrag des IT-Netzwerkausstatters Cisco.

Fatale Meeting-Marathons

Die Folgen sind Ermüdungserscheinungen aller Art, zusammengefasst unter dem Begriff "Video-Fatigue". 2021 hat die Universität Stanford dieses Phänomen "Zoom Fatigue" genannt und genauer untersucht.

Auslöser ist erneut das zutiefst Menschliche. Denn wir alle sind schlicht darauf programmiert, direkt zu kommunizieren. So spricht bei Meetings in Präsenz ein Mensch, auf den sich die Aufmerksamkeit aller richtet. Bei Videokonferenzen sind hingegen durchgehend alle sichtbar, was zu Stress führt, denn: "Die soziale Angst vor dem Sprechen in der Öffentlichkeit ist in unserer Gesellschaft eine der größten Phobien", wie Jeremy Bailenson, Untersuchungsleiter und Gründer des Stanford Virtual Human Interaction Lab (VHIL), erklärt. Permanent ein Gesicht knapp vor Augen zu haben, macht Kommunikation noch anstrengender, wird dies doch instinktiv als intime Beziehung eingestuft. Und einer solchen widmen Menschen mehr Aufmerksamkeit, führt Bailenson weiter aus.

Hinzu kommt, dass wir uns beim Sprechen gerne bewegen, was bei virtuellen Treffen aufgrund der statischen Kamera kaum möglich ist. Und dann ist man auch noch permanent mit dem eigenen Spiegelbild konfrontiert, was weitere Aufmerksamkeit bindet. So sind die meisten Menschen nach einem Meeting-Marathon erschöpft, verspüren Kopf- und Nackenschmerzen und klagen über müde Augen.

Weniger und kürzere Meetings sowie Pausen dazwischen empfiehlt die Cisco-Studie gegen diese Effekte. Das deckt sich im Wesentlichen ohnehin mit den Tipps anderer Studien zur besseren Verträglichkeit von Homeoffice-Arbeit im Allgemeinen. Wie bei den meisten Dingen im Leben gilt eben auch für die Heimarbeit: Die Dosis macht das Gift. Oder konkret: Ohne regelmäßige Pausen wird die vermeintlich flexible Zeiteinteilung im Homeoffice schnell zum Bumerang. Denn permanente Erreichbarkeit ist ein Anspruch, dem die meisten Menschen weder vor Ort im Unternehmen noch im Heimbüro ohne gesundheitliche Probleme gerecht werden können.

Gefährliche Selbstmedikation

Ein nicht unerheblicher Teil der eifrigen Heimarbeiter greift bei Überlastung dann gar zu pharmazeutischen Helfern. Im Rahmen des "Wohlfühlreport Home Office 2022" gaben immerhin 34,4 Prozent aller Befragten an, dass sie neben Beruhigungstees und Vitaminen durchaus auch zu Melatonin und Hanfprodukten greifen, um die Konzentration zu steigern oder Entspannung zu finden.

Während sich Arbeitgeber über weniger Kosten für die Arbeitsplätze freuen mögen, müssen sie sich eben auch neuen Verantwortungsfeldern stellen. Die Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter gilt auch bei deren nur virtueller Anwesenheit.

Ein Verzicht auf Homeoffice-Arbeit ist aber keine Lösung, konstatieren die meisten Umfragen. Jobsuchende präferieren Arbeitsstellen mit Option zur Heimarbeit. So hat die "Flexible Working Studie 2022" von Deloitte, in Zusammenarbeit mit den Universitäten Wien und Graz, herausgefunden: "93 Prozent der Unternehmen erleben derzeit, dass die Erwartungen von Bewerbern an Home-Office-Möglichkeiten deutlich gestiegen sind. In 73 Prozent der Unternehmen haben auch die Erwartungen an Remote Working aus dem Ausland zugenommen."

"War of Talents"

Flexibles Arbeiten ist von der Pandemie-Notlösung zur Selbstverständlichkeit geworden. Um am heiß umkämpften Arbeitsmarkt zu punkten, müssen sich Unternehmen hierbei anstrengen. Vorbilder gibt es allerdings noch kaum, ist die größte Veränderung der Arbeitswelt seit Jahrzehnten doch noch sehr jung. Firmen, die sich hierbei jedoch nicht engagieren, verlieren auf jeden Fall ihre Wettbewerbsfähigkeit, weil sie im Kampf um die Nachwuchstalente, dem "War of Talents", dann nicht mithalten können.

Hinzu kommt noch der anhaltende Trend zum Arbeitsplatz-Wechsel, denn Homeoffice dürfte die Bindungen der Mitarbeiter an die Unternehmen lockern. Wer dem nichts entgegenzuhalten hat, wird sich wohl bald über Personalmangel beklagen.

"Homeoffice bedeutet einen Gewinn an individueller Flexibilität und Freiheit. Damit die Zusammenarbeit im Unternehmen weiterhin reibungslos funktioniert, braucht es aber einen gemeinsamen Verständnisrahmen. Unternehmen mit einem solchen Regelwerk verzeichnen positivere Auswirkungen von Homeoffice auf Produktivität und Leistung", fasst dies Christian Korunka von der Universität Wien zusammen.