Papst Franziskus: "Seid den Priestern nahe" - auch den kritischen.
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Rom. An diesem Donnerstag werden sie sich begegnen, Franz und Franziskus. Der eine hieß früher Anton mit Vornamen, war erst Elektriker, dann UN-Soldat, ist seit 1984 Franziskaner, gab sich den Namen Franz und ist seit ein paar Wochen Erzbischof von Salzburg. Der andere ist Argentinier, der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, der erste Papst, der sich nach dem Poverello aus Assisi benannt hat. Offensichtlich viel Potenzial für ein Treffen.
Erzbischof Franz Lackner wird sich nicht vorbereiten auf die Audienz an diesem Donnerstag, die Papst Franziskus ihm und den anderen Vertretern der Salzburger Kirchenprovinz gewährt. So hat er es zwei Tage zuvor beim Empfang in der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Rom angekündigt. Das ist kein mangelnder Respekt, sondern eine sehr pragmatische Haltung. Lackner sagt: "Dieser Papst ist für Überraschungen bekannt. Man bereitet sich vor und dann wird alles über den Haufen geschmissen." Franziskus würde so ein Satz wohl gefallen. Auch Lackner dreht nicht jedes Wort erst dreimal um, bevor er es seinem Mund entweichen lässt.
Will man vier Tage nach Beginn des Ad-limina-Besuchs der österreichischen Bischöfe in Rom eine erste Bilanz ziehen, dann wirkt es, als sei der Salzburger Erzbischof im Vergleich zu seinen 15 Kollegen ganz besonders in seinem Element. Vielleicht hat Lackner zu dem geordneten Chaos, das Franziskus seit bald einem Jahr über den Vatikan gebracht hat, einen noch direkteren Zugang als seine Kollegen. "Man fühlt sich wohl", sagt er.
Auch die Bischofskollegen sind angetan von ihrem Oberhaupt. Nach vier Tagen in Rom hat das Franziskus-Virus die gesamte Österreichische Bischofskonferenz infiziert. Mitgliedern der Wiener Kirchenprovinz, die bereits am Montag beim Papst waren, sind die langen Wege im Apostolischen Palast aufgefallen, die man zurücklegen muss, um Franziskus zu treffen. Als passte die Ehrfurcht einflößende Schale des Vatikan gar nicht mehr zu seinem plötzlich so fassbaren Inhalt. Hört man einigen Bischöfen beim Plaudern zu, dann verstärkt sich der Eindruck, als stünden die Weite und der Prunk der Säle im Kontrast zur Unmittelbarkeit des Papstes, den man beim Abendessen im Gästehaus Santa Marta auf den Teller gucken kann.
"Wir müssen dieKatholiken begleiten"
Dabei hat der so milde wirkende Franziskus den Bischöfen der Wiener Provinz bereits sehr deutlich gesagt, was er von ihnen im Hinblick auf die Gläubigen will. "Er hat uns gesagt, wir müssen sie begleiten", berichtet der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn. Auch diejenigen Katholiken, die nicht streng nach der Lehre lebten. Von sich aus sei der Papst auf die kritischen Gruppierungen Pfarrer-Initiative und "Wir sind Kirche" zu sprechen gekommen. "Seid euren Priestern nahe!", habe der Papst gesagt. Setzen die Bischöfe die franziskanischen Ratschläge tatsächlich in die Tat um, dann dürfen sich die Katholiken in Österreich ab kommender Woche auf eine Art Kuschel-Kirche gefasst machen.
Soweit wird es nicht kommen. Obwohl auch der Klagenfurter Bischof Alois Schwarz in seiner Predigt am Dienstagabend in Santa Maria dell’Anima die Worte Thomas von Aquins als von "erschreckender Aktualität" bezeichnete. Der habe gefordert, die von der Kirche dem Evangelium hinzugefügten Vorschriften seien "mit Maß einzuhalten", Religion dürfe sich "nicht in Sklaverei verwandeln". Wer muss da nicht an die Vatikan-Umfrage zu den Themen Familie und Sexualität denken, in der Österreichs Katholiken der strengen Lehre eine deutliche Abfuhr erteilen? Heute, Donnerstag, wollen die Bischöfe die Papiere im Vatikan übergeben.
Aber in Rom macht derzeit der Ton die Musik. Schönborn hat eine "neue Offenheit im Miteinander" festgestellt. Die menschliche und demütige Geste des Rücktritts von Benedikt XVI. habe dazu geführt, dass man "einander sagen kann, was geht und was nicht geht". "Papst Franziskus hat durch seine Art schon mehr verändert als durch große strukturelle Reformen", sagt Schönborn.
Auch Erzbischof Lackner hebt das "angenehme Gesprächsklima" in den Treffen mit den Kongregationen und päpstlichen Räten hervor. Mit Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation und Wächter über die Dogmen, habe er "toll gesprochen". Man werde in Rom wahrgenommen, ohne dass gleich regulativ geantwortet werde. Es herrsche "eine große Freiheit zu reden, zu sprechen". Ob die Bischöfe jemals wieder heimkehren bei so viel Verständnis aus Rom?
Wohl schon. Lackner etwa will Franziskus nach einem Ratschlag für seine neue Aufgabe als Erzbischof fragen. Dabei hat er die Lektion Bergoglios schon verinnerlicht, wenn er davon spricht, nicht Oberlehrer, sondern Anwalt seiner Diözese sein zu wollen. Es sind vielversprechende Worte aus Rom, jetzt erwarten die meisten Katholiken auch Fakten. Vom Papst und von den Bischöfen.