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Hongkongs heißer Sommer

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

In der Sonderverwaltungszone bereitet sich die Polizei nach einem Referendum für mehr Demokratie auf Massenproteste vor.


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Hongkong. Vergangene Woche wurde Hongkong besetzt. Von den Robotern aus dem neuen "Transformers"-Streifen, der teilweise in der südchinesischen Metropole spielt und dort seine Premiere feierte - eine Woche vor der Erstaufführung in Hollywood, wie die heimische Presse betonte. Also bewachte der gute Blechheld Optimus Prime den roten Teppich und stilisierte den Krawallstreifen zum Staatsakt, während sich die Polizei längst auf andere, höchst reale Krawalle vorbereitet. Am Mittwoch beginnt die größte Polizeiübung der jüngeren Stadtgeschichte. Bewaffnete Polizisten und Einheiten der Elitetruppe "Flying Tigers" wurden bereits mit der neuesten Ausrüstung versorgt, um - wie es heißt - ein "mögliches Chaos" zu verhindern, das am 1. Juli drohe. An diesem Tag organisiert die "Zivile Menschenrechtsfront" einen Protestmarsch für allgemeines Wahlrecht, zu dem mindestens 100.000 Teilnehmer erwartet werden. Mit dabei ist auch die Bürgerbewegung "Occupy Central", die damit droht, den Finanzdistrikt zu besetzen. Die Polizei hat vorgesorgt: Eine Kaserne wurde geräumt, um bei Massenverhaftungen bis zu 3000 Personen anhalten zu können.

Es scheint, als stünden die Zeichen in Hongkong auf Sturm - eine Entwicklung, die sich spätestens seit den Demonstrationen zum 25-Jahr-Gedenken an die niedergeschlagenen Studentenproteste von 1989 abgezeichnet hat. Die Sonderverwaltungszone ist der einzige Ort in der Volksrepublik, an dem die Bürger frei ihre Meinung äußern und sich öffentlich versammeln dürfen. Mit über 180.000 Demonstranten kamen diesmal so viele Menschen wie noch nie zu der jährlichen Mahnwache. Den wachsamen Augen Pekings, wo selbst private Gedenkveranstaltungen umgehend aufgelöst wurden, ist dies nicht entgangen. Es mag ein Zufall sein, dass die Regierung nur eine Woche später ein sogenanntes "Weißbuch zur Hongkong-Frage" veröffentlichte - seine Wirkung verfehlte es jedenfalls nicht. In resoluter Wortwahl steht dort unter anderem, dass der hohe Grad an Unabhängigkeit der Sonderverwaltungszone keinesfalls eine vollständige Autonomie bedeuten würde. Die Hongkonger sollten lediglich "lokale Angelegenheiten im Rahmen der Befugnisse durch die zentrale Führung umsetzen". Wer das nicht verstünde, sei "verwirrt oder einseitig im Verständnis für das Prinzip ‚Ein Land, zwei Systeme‘". Schuld daran seien "falsche Ansichten" und "ausländische Mächte", die Hongkong benutzen würden, um sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen. Daher sollten die Bürger der Stadt "vor allem patriotisch sein".

700.000 für mehr Demokratie

Obwohl in dem Weißbuch nichts substanziell Neues steht, verstanden die Hongkonger das Schreiben vor allem als Machtdemonstration, die klarstellen sollte, wer hier der Boss ist. Viele sehen es auch als Drohung, dass der Stadt ihre Freiheiten genommen werden könnten, wenn sie nicht pariert. Niemand könnte die chinesische Führung daran hindern, da auch die Briten als ehemalige Kolonialmacht längst keinen Einfluss mehr auf der Insel haben. Sie haben ihre Kronkolonie 1997 an die Volksrepublik zurückgegeben und im Zuge der Verhandlungen der chinesischen Führung einen Sonderstatus abgerungen, der 50 Jahre gelten soll. Peking hat den Hongkongern zudem versprochen, ab 2017 den Verwaltungschef frei wählen zu dürfen. Doch das Festland will die zur Wahl stehenden Kandidaten vorher von einem regierungstreuen Gremium aussuchen lassen, wodurch Vertreter des Demokraten-Lagers kaum eine Chance hätten.

An diesem Punkt haben sich auch die jüngsten Proteste und Aktionen entzündet. Seit vergangenem Freitag können die Bürger Hongkongs über ein Online-Referendum ihren Wunsch ausdrücken, den Verwaltungschef direkt und ohne Vorauswahl wählen zu dürfen. Anerkannt wird es weder von der Stadtverwaltung noch von der Zentralregierung, was bis Dienstag 732.609 Menschen dennoch nicht von einer Teilnahme abgehalten hat - "trotz raffinierter Hackerangriffe, die definitiv aus China kommen", wie die Organisatoren von "Occupy Central" beklagten. Die Bürgerrechtsbewegung um den Jus-Professor Benny Tai droht damit, den Finanz- und Regierungsbezirk nach dem Vorbild der antikapitalistischen Occupy-Bewegung lahmzulegen, falls ihre Forderungen kein Gehör finden. Wovon laut dem Regierungsblatt "Global Times" aber auszugehen ist, das die Abstimmung als "völlig lächerlich" bezeichnete und den Organisatoren "die Mentalität eines Glücksspielers" unterstellte. Wenn jemand die Stadt besetzen darf, dann offenbar nur Optimus Prime.