Chinas KP plant beim Nationalen Volkskongress den nächsten Schlag gegen die Hongkonger Demokratiebewegung.
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Die rechtlichen Verhältnisse haben sich in Hongkong umgekehrt: Das neue Sicherheitsgesetz verlangt nun von den Angeklagten, dass sie beweisen müssen, keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darzustellen - wollen sie auf Kaution freikommen. Bisher war es in der Hongkonger Rechtstradition genau andersherum.
Damit hingen am Mittwoch 47 angeklagte Demokratieaktivisten weiter in der Luft. Den dritten Tag in Folge beriet das Gericht ergebnislos über ihre Freilassung auf Kaution, schon am Tag zuvor hatten die Verhandlungen mehr als 12 Stunden gedauert. Dabei waren fünf Angeklagte, die wohl auch schon von der vorhergehenden Inhaftierung zermürbt waren, so geschwächt, dass sie ärztliche Hilfe benötigten.
Auf alle Fälle erwartet die Beschuldigten eine Anklage des erst im Vorjahr von der chinesischen Staatsführung beschlossenen, umstrittenen Sicherheitsgesetzes. Vorgeworfen wird ihnen "Verschwörung zum Umsturz". Sie haben Vorwahlen im Juli organisiert, an denen sich 600.000 Bürger beteiligten. Peking wertete dies als "schwere Provokation". Unter den angeklagten Politikern, Intellektuellen und jungen Aktivisten finden sich teils die prominentesten Vertreter der Hongkonger Demokratiebewegung. Das Strafmaß reicht bis zu lebenslanger Haft.
"Patriot ist, wer die KP liebt"
Auf Hongkongs Demokraten kommen auch noch weitere harte Schläge zu: So beginnt am Freitag in Peking der Nationale Volkskongress, bei dem rund 5.000 Delegierte zusammenkommen. Bei dem Treffen nicken die Vertreter ab, was die Spitze der Kommunitischen Partei (KP) zuvor als politischen und wirtschaftlichen Fahrplan beschlossen hat. Dieses Jahr sollen dabei offenbar einschneidende Maßnahmen für Hongkong beschlossen werden.
So verkündete Xiao Balong, der dem Büro für die Angelegenheiten von Hongkong und Macau vorsteht, dass das Wahlsystem in der Finanzmetropole geändert werden müsse. Künftig sollten nur noch "Patrioten" regieren.
Und der ebenfalls mit Hongkong-Angelegenheiten betraute Funktionär Erick Tsang präzisierte, was die Staatsführung unter Patriotismus versteht: "Man kann nicht behaupten, man sei patriotisch, und gleichzeitig die Führung der Chinesischen Kommunistischen Partei nicht lieben oder nicht respektieren - das ergibt keinen Sinn."
Die Staatsführung will offenbar die kritischen Kräfte aus dem Hongkonger Parlament entfernen. Die 70 Mandate wurden bisher ohnehin nur zur Hälfte in allgemeinen Wahlen vergeben, die andere Hälfte wurde von Interessenvertretungen und Berufsgruppen bestimmt, die traditionell im Sinne Pekings abstimmen. Die demokratischen Kräfte hatten somit immer nur eine äußerst geringe Chance auf die Mehrheit.
Aber Peking hat offenbar die letzte Wahl der Bezirksversammlungen 2019 alarmiert, die die Hongkonger Bürger frei bestimmen können. Dabei gingen 90 Prozent der 452 Sitze an prodemokratische Kräfte.
Die KP wird aber wahrscheinlich nicht nur am Wahlrecht schrauben, sondern in Zukunft auch weitere flankierende Maßnahmen setzen. So haben Funktionäre bereits Justizreformen eingemahnt - demnach müssten auch die - bislang formell unabhängigen - Gerichte in Hongkong patriotischer agieren. Erwartet wird zudem, dass künftig von Justiz - und Verwaltungsbeamten oder auch Lehrern verlangt wird, dass sie einen patriotischen Eid ablegen.
"Geht nicht zu weit"
Mit ihrem Vorgehen untergräbt die KP weiter die Hongkonger Sonderrechte, die der einstigen britischen Kronkolonie bei der Rückgabe an China 1997 unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" zugesagt worden waren. Internationale Einwände kümmern die Staatsführung rund um Generalsekretär Xi Jinping wenig. Die EU hat das Vorgehen gegen die Hongkonger Demokratiebewegung mehrfach kritisiert, die USA haben deshalb wirtschaftliche Sonderrechte für Hongkong suspendiert.
Doch mit ihrem globalen Aufstieg giert die Volksrepublik immer selbstbewusster. Und auch wenn Hongkong wegen seiner Sonderrechte einst der erste Anlaufplatz für internationale Investoren in China war - mit jedem Jahr sinkt die ökonomische Bedeutung des Sieben-Millionen-Einwohner-Staats.
Die sich nun abzeichnenden Maßnahmen sind selbst Politikern aus dem Pro-Peking-Lager in Hongkong zu viel. "Geht nicht zu weit", warnte einer von ihnen, Shiu Sin-por, nach einem Treffen Pekings Hongkong-Vertreter Xiao. Sonst bestünde die Gefahr, dass "der Patient getötet wird".
Die Operation ist jedenfalls schon weit fortgeschritten. Die meisten Anführer der Massendemonstrationen 2019, die sich gegen Pekings zunehmende Einmischung richteten, sind mittlerweile geflohen, verhaftet oder angeklagt. Bei dem jüngsten Prozess gegen die demokratischen Aktivisten diese Woche fanden sich noch rund 1.000 Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude ein. "Ich fühle mich machtlos", sagte dabei der 19-jährige Chan der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich will nur, das die Angeklagten unsere Unterstützung spüren."