Das schwächere Wachstum begünstigt Fonds als Investoren. | Banken restriktiver bei der Finanzierung von Unternehmen. | "Wiener Zeitung": Wie geht es jemandem, dessen Geschäft es ist, Unternehmensbeteiligungen zu erwerben, in einer Zeit, in der die Finanzmärkte völlig verrückt spielen?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kurt Stiassny: Schwierigkeiten an den Finanzmärkten sind für den Erwerb von Unternehmensanteilen durchaus auch eine große Chance.
Weil für die Unternehmen andere Finanzierungsmöglichkeiten wie Bankkredite oder Börsegänge nicht so leicht verfügbar sind?
Andere Finanzierungsmöglichkeiten sind schwieriger geworden, wodurch Wachstumschancen, die Unternehmen sehen, nicht so leicht realisierbar sind. Und es gibt auch Situationen, wo Probleme, die in boomenden Finanzmärkten verdeckt wurden, plötzlich sichtbar werden.
Weil die höheren Zinsen auf die Profitabilität der Unternehmen drücken?
Da werden Probleme im Management, in der strategischen Ausrichtung, im Produktportfolio eher offenkundig als bei Schönwetter.
Was die Frage aufwirft, warum man sich ausgerechnet jetzt an Unternehmen beteiligen will?
Normalerweise ist es schlichtweg einfacher, zur Bank zu gehen und einen Kredit aufzunehmen, um ein Vorhaben zu realisieren. Wenn die Banken aber Kredite jetzt nicht mehr so freizügig vergeben, ist das Thema Eigenkapitalausstattung wieder stärker in den Vordergrund getreten.
Im Gegensatz zu den Kreditzinsen, die Banken verlangen, erwarten Eigenkapitalinvestoren wie Ihr Fonds allerdings erheblich höhere Renditen.
Wenn Sie es ohne Zusatzeffekte betrachten, ohne Zusatzleistungen, dann stimmt das. Ein Eigenkapitalinvestor bietet aber auch mehr als eine Bank: Er bietet Erfahrung, er bietet Beratung, er bietet Know-how, er hat meist auch ein gutes Netzwerk. Er hilft dem Unternehmen beim Aufbau der Unternehmensstruktur, die ab einer bestimmten Größenordnung notwendig ist. Eigenkapital kostet im Gegensatz zu einem Kredit in den ersten Jahren überhaupt kein Geld. Und die Renditen auf das investierte Kapital werden ja nicht durch jährliche Zahlungen aus dem Unternehmen erzielt. Die Renditen kommen dann später über einen Börsegang oder Verkauf zustande. Wir sprechen derzeit jedenfalls mit Unternehmen, die es noch vor gar nicht allzu langer Zeit nicht in Erwägung gezogen hätten, mit uns zu reden.
Fonds wie der ihre setzen aber ebenfalls Fremdkapital ein.
Wir finanzieren normalerweise etwa 50 Prozent des Kaufpreises mit Fremdkapital .. .
Im internationalen Vergleich ist eine bloß 50-prozentige Fremdkapitalquote, so sie tatsächlich stimmt, allerdings sehr konservativ.
Ich habe auch in meinen früheren Funktionen diesbezüglich immer schon eine konservative Geschäftspolitik verfolgt. Und heute ist es einfach Standard, dass man 40 oder 50 Prozent Eigenkapital aufbringen sollte, um die restliche Fremdfinanzierung für einen Unternehmenskauf zu bekommen.
Heute heißt in Zeiten der Finanzkrise und knapperer Liquidität bei den Banken?
Das ist richtig. Auch wir müssen uns nach der Decke strecken, um die nötigen Fremdfinanzierungen zu bekommen, die wir bei dem Kauf von Unternehmen oder bei einer Beteiligung brauchen. Tatsache ist, dass Geld ein knappes Gut ist. Für Unternehmensgrößen, die uns interessieren, der größere Mittelstand mit 200 oder 300 Millionen Euro Umsatz, waren bis vor kurzem Finanzierungen durchaus noch zu erhalten, das ist jetzt auch in Österreich - eigentlich so richtig erst seit einigen Wochen - deutlich schwieriger geworden. Für wesentlich größere Beträge musste man auf den internationalen Markt gehen, und der ist im Moment sowieso tot.
Warum kauft ein Fonds gerade jetzt, in Zeiten schwächer werdenden Wirtschaftswachstums, Unternehmensbeteiligungen? Wäre es nicht klüger, zwei oder drei Jahre zu warten, bis die Konjunktur wieder anzieht?
Die kurze Antwort darauf ist: antizyklisch investieren. Und die Preise für Unternehmen sind heute ohnedies bereits niedriger als noch vor zwei Jahren oder vor einem Jahr.
Und in zwei Jahren werden sie vermutlich noch günstiger sein.
Wenn man Pessimist ist, kann man das vermuten. Als Optimist kann man das aber auch anders sehen: Sie kaufen jetzt, also in einer Zeit, in der die Preise für Unternehmen noch im Fallen und noch nicht ganz unten sind, können aber das Unternehmen in den nächsten Jahren auch entsprechend restrukturieren. Durch Investitionen mit zusätzlichem Geld kann das Unternehmen in einer Zeit, in der Konkurrenten Sparprogramme durchführen müssen, neue Produkte entwickeln, expandieren und Marktanteile gewinnen.
Und wenn die Konjunktur wieder anzieht, hat man dann einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern. Private Equity ist kein Tagesgeschäft, sondern man muss mit Zyklen von zumindest fünf Jahren rechnen. Und man weiß nie genau, wann der Zeitpunkt zum Einstieg am günstigsten ist. Wir kaufen gesunde Unternehmen, zahlen einen fairen Preis und versuchen, den Wert dieser Unternehmen erheblich zu steigern.
Man könnte allerdings den Eindruck gewinnen, dass manche der Kaufpreise, die bis vor eineinhalb Jahren für Unternehmen bezahlt wurden, aus heutiger Sicht überzogen waren. Da könnte es für manche Private-Equity-Fonds schwierig werden, die angepeilten hohen Renditen zu erzielen.
Wir sind konservativ bei der Finanzierung, und wir sind auch konservativ bei den Renditeerwartungen. Renditen von 300 oder 500 Prozent, die manche großen internationalen Fonds erzielt haben, gibt es nicht mehr. Auch die Anleger werden sich damit abfinden müssen, dass ein Unternehmen, das man heute kauft, nicht ein halbes Jahr später 50 oder 70 Prozent mehr wert sein wird. Es gibt eigentlich auch keine wirtschaftlich fundamentalen Gründe, warum ein Unternehmen in so kurzer Zeit einen so hohen Wertzuwachs haben sollte.
Was fällt Ihnen zum Begriff "Heuschrecke" ein?
Das ist ein eine Formulierung, die vor einigen Jahren vor allem für große angelsächsische Fonds benutzt wurde, denen man unterstellte, dass sie einsteigen, um Unternehmen möglichst schnell zu filetieren. Solche Extremfälle gab es. Aber kein Eigentümer und kein Unternehmen hat es notwendig, mit einem solchen Fonds zusammenzuarbeiten. Es gibt genug Fonds, die keine Heuschrecken sondern Honigbienen sind.
Was war der beste Deal, an dem Sie auf Investorenseite beteiligt waren?
Das ist eine schwierige Frage. Für mich ist der beste Deal nicht notwendigerweise jener, bei dem am meisten Geld verdient wurde. Der beste Deal ist jener, bei dem das Unternehmen die nachhaltig erfolgreichste Entwicklung genommen hat. Und da gibt es zwei Transaktionen, die ich damals mit der Unternehmens Invest AG gemacht habe: Das ist einerseits die Beteiligung bei der Andritz AG, die von einem Unternehmen mit 400 oder 500 Millionen Euro Umsatz mittlerweile annähernd zu einem Drei-Milliarden-Konzern und einem Aushängeschild der österreichischen Wirtschaft geworden ist. Ein zweites Beispiel ist Palfinger, ein Familienunternehmen, das heute ebenfalls im ATX notiert und dank unserer damaligen Kapitalhilfe ein absolutes Paradeunternehmen geworden ist.
Und die Beteiligung bei Libro ist vermutlich jener Deal ist, den Sie aus Ihrem Lebenslauf am liebsten streichen würden?
Wenn man das könnte, vermutlich. Aber man kann es nicht. Daher muss man versuchen, aus solchen Deals zu lernen und sich fragen, was man falsch gemacht hat.
Und was haben Sie falsch gemacht? Immerhin gibt es wegen der kurz nach dem Börsegang erfolgten Libro-Pleite immer noch gerichtliche Untersuchungen - auch gegen Sie.
Bei Libro haben mehrere Dinge zusammengespielt - unter anderem der Zeitpunkt, die Internet-Euphorie. Jeder hat an Wachstum und Expansion im Internet geglaubt. Damals war Libro in Österreich als Internet-Händler größer als Amazon, auch in Deutschland war Libro ein starker Konkurrent von Amazon. Libro ist dann aus mehreren Gründen die Luft ausgegangen, Amazon hat es sich leisten können, die Verluste der Anfangsphase zu verkraften.
Ein wesentlicher Grund für den Niedergang von Libro war doch vor allem das inkompetente Management?
Im Nachhinein ist es leicht zu sagen, das Management war inkompetent. Bei Libro waren es eine Vielzahl von nicht vorhersehbaren Entwicklungen, die zu den Problemen geführt haben. Wenn in Deutschland der Retail-Markt nicht plötzlich zusammengebrochen wäre und die Entwicklung des Internethandels so eingetreten wäre, wie es alle Marktstudien vorausgesagt haben, wäre vieles anders gekommen. Man sollte aber nicht vergessen, dass Private Equity immer Risikokapital ist. Einzelprojekte können grundsätzlich immer scheitern. Aber wir haben in Summe sehr viele, sehr erfolgreiche Projekte gemacht. Das, was unser Team bei der UIAG erfolgreich realisiert hat, setzen wir nun bei der Buy-Out Central Europe fort.
Zur PersonKurt Stiassny,wurde 1950 in Wien geboren und studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität. Nach dem Studium war Stiassny zuerst einige Jahre im elterlichen Unternehmen tätig. Danach trat er in die damalige Creditanstalt ein, arbeitete vorerst in der Abteilung für Kreditprüfung, wechselte jedoch schon bald zur CA-3 Banken Beteiligungsfonds AG, die zu dieser Zeit bei mehreren hundert österreichischen Unternehmen stille Beteiligungen eingegangen ist. 1990 wurde er Vorstand in der von CA, 3-Banken-Gruppe und Investkredit damals gegründeten Unternehmens Invest AG (UIAG), die unter seiner Leitung Unternehmen wie Andritz, Palfinger, Bene und Wolford an die Börse begleitet hat. Seit vergangenem Jahr fungiert Stiassny als Vorstandsvorsitzender der Buy-Out Central Europe II Beteiligungs-Invest AG, einem Private-Equity-Fonds mit 150 Millionen Euro Kapital.