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Horchposten: Radiosünden

Von István Orbán

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In Ö1 war am Mittwoch in den "Radiogeschichten" eine nette Erzählung zu hören: Dr. Morbidus, der weltbekannte Gelehrte und Universitätsprofessor, Großmeister der Milz- und Gallenoperationen, wird

mitten in der Nacht zu einem Patienten gerufen · schnell, schnell, der gnädige Herr liegt im Sterben! Der da so krank ist, ist niemand geringerer als der Tod selbst.

Die kurze Untersuchung ergibt die Notwendigkeit einer sofortigen Operation, und für den Arzt die fantastische Möglichkeit, die Menschheit ein für allemal vom Tod zu befreien. Nach kurzem Zögern

schreitet er zur Tat, schläfert den gnädigen Herrn ein, macht zwei entschiedene Schnitte · und der Tod ist tot. Voll der erhabensten Gefühle begibt sich Dr. Morbidus auf die Heimfahrt.

Unterwegs wird die Droschke angehalten, eine unheimliche Gestalt überreicht ein fürstliches Honorar, man wechselt höfliche Worte: "Die Sache wurde vernachlässigt, man hätte mich früher rufen sollen."

· "Das habe ich Papa auch gesagt. Jetzt übernehme ich das Geschäft."

Die Erzählung stammt von Jeno Heltai. Außer seinem Namen verlor man · wie übrigens immer · kein Wort über den Autor (ungarischer Journalist und "Kaffeehausliterat" der Jahrhundertwende, schrieb fein

beobachtete, oft humorige Prosa und Lyrik, war auch ein Dramatiker von Rang). Der Name des Übersetzers wurde überhaupt nicht genannt. Und Volker Krystoph las die Geschichte schwer und

bedeutungsschwanger, von Leichtigkeit keine Spur.

Eine Sendung, drei Sünden · das ist doch ein wenig zu viel.