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Wie die meisten Liebhaber E-musikalischer Darbietungen weiß ich normalerweise, welche Musiker ich im Konzert oder im Radio gerade höre, und oft habe ich den Verdacht, dass mein Urteil von diesem
Wissen stark beeinflusst wird. ("Wenn Pollini spielt, kann es nicht schlecht sein" usw.)
Als ich am Dienstagabend eher wahllos das Radio anschaltete, hatte auf HR2 eine Übertragung der "Winterreise" bereits begonnen, und ich nutzte die Chance. Ich schlug die Namen der Interpreten nicht
in den "Programmpunkten" nach, sondern versuchte, ihr Konzert anonym zu genießen.
Das fiel mir auch nicht schwer. In allen Lagen, Lautstärken und Tempi blieb die wohltimbrierte Baritonstimme des Sängers fest und nuanciert zugleich, und der präzis artikulierende Pianist erwies sich
als inspirierender Mitgestalter. So wurde die musikalische Komplexität der "Winterreise" in allen Facetten zu Gehör gebracht. (Dass die Musik überdies auch ans Herz ging, bedarf kaum der
Erwähnung, denn das vermögen Schuberts Lieder selbst noch, wenn sie weniger gut gesungen werden.)
Ein sehr schönes Radiokonzert also. An seinem Ende erfuhr ich auch, welchen Künstlern es zu verdanken war: Matthias Goerne und Alfred Brendel, aufgenommen während eines Konzerts der Schubertiade in
Feldkirch. Doch hätte es des Hinweises auf die berühmten Namen nicht bedurft, um zu bemerken, dass hier zwei nicht alltägliche Könner am Werk waren.