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Publikationen in Fachjournalen hatten wichtigen Einfluss. | Nebenwirkungen wie Brustkrebs heruntergespielt. | Fachleute: Gängige Praxis, keineswegs ein Einzelfall. | New York/Wien. "Pharmabashing" ist ein beliebter Sport bei allen, die auch sonst mit der Evidenzbasierten Medizin auf Kriegsfuß stehen, also bei Impfgegnern und allen Anhängern von Quacksalberei.
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Bestimmte Vorfälle wie der soeben bekannt gewordene um den kürzlich von Pfizer übernommenen Pharmakonzern Wyeth machen es ihnen allerdings oft nur allzu leicht - was dabei tatsächlich aber auf der Strecke bleibt, sind neben den düpierten Fachjournalen, den in die Irre geführten Ärzten sowie deren falsch behandelten und verunsicherten Patienten das Ansehen und die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche.
Evidenzbasierte Medizin muss sich auf die Wissenschaftlichkeit ihrer Grundlagen stützen. Eine der wichtigsten davon sind Peer-Reviews, begutachtete Studienartikel in Fachpublikationen. Stehen unter diesen die Namen bekannter Experten, verläuft die Begutachtung aber offenbar weniger streng, wie sich bis in die jüngste Vergangenheit gezeigt hat.
Darauf spekulierte mutmaßlich auch Wyeth, als es darum ging, sein Hormonersatzmittel "Prempro" zu pushen, das dem Konzern mittlerweile Sammelklagen von rund 10.000 gesundheitlich geschädigten Frauen in den USA eingetragen hat. Zwischen den Jahren 1997 und 2004 beauftragte Wyeth mehrere spezialisierte PR-Agenturen mit der Produktion von 40 Fachartikeln, in denen das Medikament gegen so gut wie alle menopausalen Beschwerden bis hin zu neurologischen Erkrankungen wie Parkinson empfohlen wurde, wie nun im Zuge des gerichtlichen Verfahrens gegen die in Madison (New Jersey) hauptansässige Firma bekannt wurde. Honorar pro Artikel: 25.000 Dollar.
Weiters wurden die Agenturen beauftragt, Wissenschafter zu finden, die bereit waren, als Autoren dieser oft von wissenschaftlichen Freelancern verfassten Artikel aufzutreten, die in der Folge in 18 Fachjournalen erschienen, darunter die "Archives of Internal Medicine", "The American Journal of Obstretics and Gynecology", "The International Journal of Cardiology" und "Parkinsonism an Related Disorders". - Und zwar auch noch nach dem nicht nur für Wyeth historischen Schicksalsjahr 2002.
Gefährliche Therapie
Damals wurde die bisher größte Studie der US-Gesundheitsbehörden an menopausalen Frauen gestoppt, nachdem sich gezeigt hatte, dass vor allem die Kombination von Östrogen und Gestagen, wie in "Prempro" enthalten, das Risiko der Frauen beträchtlich erhöhte, an Brustkrebs zu erkranken bzw. Herzinfarkte und Schlaganfälle zu erleiden. Eine spätere Studie fand dann obendrein heraus, dass die Hormonersatztherapie ein Risiko für die Entwicklung späterer Demenzen in sich birgt.
Wyeth sah sich deshalb veranlasst, das Ganze herunterzuspielen und Wissenschafter, denen es offensichtlich vor allem um die Zahl "ihrer" Publikationen ging, bürgten mit ihren Namen für die Richtigkeit von Aussagen, die da unter dem Strich lauteten, hier würden völlig unbegründete Ängste geschürt. Ein Firmensprecher beteuerte aktuell hierzu, alle Artikel basierten auf strengsten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Sowohl der Wyeth-Sprecher als auch Mediziner bestätigten indessen laut "New York Times", dass das Anheuern von Ghostwritern und Wissenschaftern eine gängige Praxis darstellt. Auf die Wissenschafter könnte nun aber zumindest insofern Ärger zukommen, als sie auch auf ihre Arbeitgeber - einige der Top-Unis und -Institutionen der USA - ein schlechtes Licht geworfen haben.