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Zum vierten Mal in Serie haben Australiens Konservative unter Premierminister Howard am Samstag die Parlamentswahlen gewonnen. Die Wirtschaftsprogramme der Parteien und die größere Popularität Howards gaben den Ausschlag. Die seit 1996 regierende konservative Regierungskoalition aus Liberalen und der kleinen Nationalen Partei hat die Meinungsforscher Lügen gestraft: Diese hatten bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der oppositionellen Labour-Partei vorausgesagt.
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Doch letztlich unterschätzten sie sowohl das konservative Meinungsklima als auch den Siegeswillen und die Popularität von Premierminister John Howard. Trotz eines erfolgreich geführten Wahlkampfes unterlag der 43-jährige Oppositionsführer Mark Latham dem 65-jährigen Howard letztlich deutlich. Dessen vierter Wahlsieg in Folge stellt einen politischen Rekord in Australien dar.
53 Prozent für die Koalition
Die Regierungskoalition gewann 52,6 (+2) Prozent der Stimmen bei der Wahl zum 150-köpfigen Repräsentantenhaus. Die Sozialdemokraten, die lange Zeit in den Umfragen vorne gelegen waren, erreichten 47,6 (-2) Prozent; sie verloren mindestens sieben Sitze. Aufgrund des komplizierten Mehrheitswahlrechts sind zwar noch nicht alle Stimmen ausgezählt; doch erstmals seit 1976 zeichnet sich für die Konservativen auch eine Mehrheit in der zweiten Kammer, im Senat, ab. Die Grünen gingen aus den Senatswahlen gestärkt hervor, die sozialliberalen Demokraten verloren dagegen drei ihrer fünf Mandate. Die fremdenfeindliche One-Nation-Partei spielt überhaupt keine Rolle mehr, nicht zuletzt weil die Konservativen viele ihrer Argumente übernommen haben.
Das zentrale Wahlkampfthema bildete die Wirtschaftspolitik. Die Regierung konnte dabei ihre Erfolge voll ausschlachten: ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent, eine Arbeitslosenrate von nur 5,6 Prozent, dazu seit sieben Jahren hohe Budgetüberschüsse.
Traum jedes Australiers ist es, ein eigenes Haus zu besitzen. (Die Konjunktur wird ganz wesentlich von der Bauindustrie angetrieben.) Weil sich viele Hausbesitzer stark verschuldet haben, haben sie großes Interesse an niedrigen Zinssätzen. Offensichtlich fielen die von den Konservativen verbreiteten Ängste, ein Sieg Labors würde die Zinsen in die Höhe treiben, auf fruchtbaren Boden.
Die Steuerpolitik der Regierung ist maßgeschneidert auf die kaufkräftige Mittelschicht in den urbanen Zentren. Labor versprach dagegen Förderungen für die sozial Schwachen, insbesondere eine kostenlose medizinische Versorgung in den Krankenhäusern für die Senioren, sowie Investitionen in die Bildungspolitik.
Wirtschaftspolitisch setzen die Konservativen im Großen und Ganzen den von Labor in den 1980er-Jahren eingeleiteten Reformkurs fort: Inmitten einer schweren Rezession hatte Labor begonnen, das verkrustete Wirtschaftssystem zu liberalisieren. Unter den Premierministern Hawke und Keating orientierte sich Australien wirtschaftlich und politisch zudem verstärkt nach Ostasien. Die Konservativen legen den Fokus zwar wieder auf die USA und Europa- doch Japan und speziell China mit ihrem enormen Bedarf an Rohstoffen werden zu immer wichtigeren Wirtschaftspartnern.
Mehr Einwanderer aus Asien
Hinzu kommt, dass der Großteil der Einwanderer - 2002/03 125.000 Personen - nicht länger aus Europa, sondern aus Asien stammt. Bis in die siebziger Jahre hatte Canberra eine heute als rassistisch empfundene "White Australia"-Einwanderungspolitik vertreten. Auch wenn die europäischen Einwandererkulturen noch klar dominieren, diskutieren die Medien bereits ausführlich, wie lange Australien noch eine "europäische" Nation sein wird.
Sicherheitsfragen spielten im Wahlkampf ebenfalls eine wichtige Rolle. Genau ein Monat vor der Wahl war vor der australischen Botschaft in Jakarta eine Autobombe explodiert, die zwölf Menschenleben forderte. Als Urheber wird die fundamentalistische Jemaah Islamiya vermutet, die von Indonesien aus in ganz Südostasien ein Terrornetzwerk errichtet hat. Spätestens seit Oktober 2002, als auf Bali über 200 Menschen, der Großteil Australier, Bomben zum Opfer fielen, ist die Bedrohung für Australien evident.
Zankapfel Irak-Krieg
Labor behauptet, die terroristische Bedrohung sei durch Canberras Beteiligung am Irak-Krieg gestiegen. Tatsächlich zählt das Land zu Washingtons engsten Verbündeten im Krieg gegen den Terror. Wie in den USA betrachtet eine Mehrheit das Irak-Unternehmen als Fehler. Auch glauben die meisten Australier, die Regierung habe bewusst gelogen, um den Krieg zu rechtfertigen.
Und dennoch: Genau wie die amerikanischen Wähler Bush im Kampf gegen den Terror mehr Leadership zutrauen als John Kerry, so hielten auch die Australier den Amtsinhaber für geeigneter als seinen Herausforderer. Lathams Ankündigung, sämtliche australische Soldaten bis Jahresende 2004 aus dem Irak heimzuholen, stieß in der Bevölkerung auf Ablehnung.
Die politische Anlehnung an die Amerikaner hat zwar Tradition: Während des Zweiten Weltkrieges hatten die USA Großbritannien als Schutzmacht des fünften Kontinents abgelöst, der sich aufgrund seiner Größe und geringen Bevölkerungszahl von 20 Millionen nicht selbst verteidigen kann. Für diesen Schutzschirm zahlten die Australier jedoch einen hohen Preis, leisteten sie den Amerikanern doch regelmäßig Waffenbrüderschaft, so auch in Vietnam. Unter Howard wandelte sich Australien zu einem extrem pflegeleichten Verbündeten George Bushs. Neben ihrer Weltanschauung verbindet die beiden Politiker eine enge persönliche Freundschaft, die auf 9/11 zurückgeht: Unter dem Eindruck des Attentats auf das WTC hatte der gerade in den USA weilende Howard dem US-Präsidenten jegliche nur denkbare Unterstützung seines Landes im Krieg gegen den Terror versprochen. Australiens Beitrag zur Invasion des Irak - 2000 Soldaten, gegenwärtig noch knapp 850 - war zwar gering, doch lag Washington von Anfang mehr an der symbolischen Signalwirkung. Als Belohnung erhielt Canberra ein milliardenschweres Freihandelsabkommen zugestanden.
Nachbarn nicht begeistert
In der asiatischen Nachbarschaft wird diese enge Allianz nicht von allen Staaten goutiert. Nachdem Bush im Herbst 2003 Australien als "Amerikas Sheriff" in Südostasien bezeichnet hatte, beeilten sich vor allem malaysische Politiker, einmal mehr allen Versuchen des "westlichen Transplantats" Australien, sich in Asien ökonomisch zu integrieren, eine Absage zu erteilen. Howards Erklärung, er könne sich Präventivschläge Australiens gegen Terroristen in Südostasien vorstellen, verschlimmerte die Situation noch.
Im Vergleich mit dem umtriebigen Mark Latham, der nie um einen Sager verlegen ist, wirkt der seit acht Jahren regierende Howard farblos und uncharismatisch - aber er strahlt Beständigkeit und Berechenbarkeit aus. Die Konservativen hielten Latham seine politische Unerfahrenheit sowie sein hitziges Temperament vor. Dankbar wärmten sie eine frühere Handgreiflichkeit Lathams mit einem Taxifahrer und seine deftigen Sprüche auf (Bush sei "der inkompetenteste und gefährlichste Präsident in der Geschichte"). Doch Latham, der Ende 2003 mit nur einer Stimme Mehrheit statt des altgedienten Kim Beazley Parteichef wurde, hat Labor unbestritten ein modernes Image verliehen.
John Howard ist dagegen ein ausgefuchster politischer Veteran. Dies zeigte sich beispielhaft bei der Volksabstimmung 1999, in der sich eine Mehrheit für einen Wechsel zur Republik aussprach. Doch weil eine ebensolche Mehrheit das von der Regierung vorgesehene Wahlverfahren - Wahl des Staatsoberhauptes durch das Parlament statt durch das Volk - ablehnte, behaupteten sich letztlich die Monarchisten, zu denen auch Howard zählt. Labor, in dieser Frage von der sonst konservativen Murdoch-Presse unterstützt, versprach im Falle eines Wahlsieges ein neues Referendum.
Die Liberale Partei profitierte zweifellos auch vom konservativen Stimmungsklima auf dem fünften Kontinent. Vor allem genießt Howard, der die Kunst perfektioniert hat, mit vielen Worten wenig zu sagen, traditionell die Sympathie der meisten Moderatoren der so beliebten Talkback-Radioshows. Diese wenden sich an ein meist älteres, mit Vorurteilen behaftetes Publikum. Obwohl die Australier generell eher aufgeschlossen und tolerant eingestellt sind - Sydney gilt beispielsweise weltweit als eine der wichtigsten Schwulen-Metropolen -, übten in dieser Wahl erstmals auch religiöse Gruppen einen großen Einfluss aus. Sie werden den Premierminister an sein Versprechen erinnern, dass in den staatlichen Schulen vermehrt religiöse und patriotische statt politisch korrekte Werte vermittelt werden sollen.
Bush kann sich freuen
Freuen kann sich über Howards Erfolg nicht nur Präsident Bush, der weiterhin auf dessen politische und militärische Unterstützung im Irak setzen kann. Freuen können sich auch die republikanischen Parteistrategen: Die australische Parlamentswahl war nämlich auch ein Probelauf für die US-Wahlen im November.
Kampagnenstil und Argumentationsmuster glichen einander auffallend, Latham etwa wurde wegen seiner sprunghaften Politik - wie Kerry - als Mr. Flip Flop bezeichnet.
Howard wird vermutlich zur Hälfte der Legislaturperiode zugunsten seines Schatzkanzlers Peter Costello zurücktreten. Damit sollte dieser ausreichend Zeit haben, bei den Wählern Punkte zu sammeln, ist er doch deutlich unbeliebter als Howard oder Latham. Der große Mandatsvorsprung der Konservativen wird es Labor zusätzlich sehr schwer machen, 2007 eine Regierungsmehrheit zu gewinnen.