Schwere Maschinen und Roller verkaufen sich heuer gut. Die Zweiradbranche ist trotz der Absatzsteigerung nicht glücklich.
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Wien. "2017 läuft bisher gut, wir sind sehr zufrieden", sagt Ferdinand Fischer, Sprecher des Zweiradhandels in der Wirtschaftskammer Österreich. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 2,2 Prozent mehr Stück als im Vergleichszeitraum des Vorjahres verkauft. Die einzelnen Kategorien entwickeln sich jedoch unterschiedlich. Während es bei Mopeds und Rollern ein Plus von sieben Prozent und bei den schweren Motorrädern ein Plus von zehn Prozent gibt, lassen die Modelle dazwischen, also jene zwischen 125 und 650 Kubik, aus.
Dass schwere Motorräder in den vergangenen Jahren wieder mehr in Mode gekommen sind, liege schlicht und einfach am größeren Hubraum. Den meisten gehe es nicht um die Endgeschwindigkeit, sondern um die Kraft. "Man muss sie nicht so hochtourig fahren und kann auch sicherer unterwegs sein", sagt Fischer. Schließlich müsse man manchmal in kritischen Situationen nicht nur bremsen, sondern auch beschleunigen. Außerdem seien die schweren Motorräder zunehmend gesellschaftsfähig geworden und würden eine immer breitere Gruppe ansprechen.
In der Stadt seien Roller vermehrt im Kommen. "Die Staus werden mehr und die Parkplätze weniger", sagt Fischer. Wenn man bedenke, wie viele Zweiräder in Rom oder Mailand unterwegs seien, gebe es in den österreichischen Städten noch Potenzial.
Dass der Nachwuchs wieder mehr Gas gibt, liegt an Änderungen beim Motorrad-Führerschein. Wer den B-Führerschein hat, kann in nur sechs Stunden einen A-Führerschein bis zu 125 Kubik erwerben. Außerdem können L17-Kandidaten auch gleich parallel den Leichtmotorrad-Führerschein machen. Früher mussten sie dafür ein Jahr warten. Späteinsteiger, die bereits den B-Führerschein haben, können den Motorradführerschein innerhalb von zwei Wochen ohne Theorieteil machen, auch das ist eine Erleichterung. "Es wissen aber noch zu wenige, dass diese Hürden weg sind", sagt Fischer.
Trotz guter Verkaufszahlen ist die Branche nicht sorgenfrei. Der "Raubtierkapitalismus" der Hersteller plagt die meisten Händler, so Fischer. Auch wenn man bei vielen Dingen "ein Herz und eine Seele" sei, bei wirtschaftlichen Belangen sei man übers Kreuz. "Die Margen werden immer geringer und die Anforderungen immer höher", sagt Fischer. Er meint mit Letzterem unter anderem Vorgaben bei Investitionen und Rabattdruck. Auch die öffentliche Hand mache mit Auflagen und Bürokratie das Leben schwer. "Die goldenen Zeiten sind für den Handel vorbei", sagt Fischer.
Um Klassen besser
Es gehe sogar so weit, dass die Händler die Hersteller fragen, wo sie sie in fünf Jahren sehen. Es stehe im Raum, dass sie selber den Vertrieb übernehmen. Ganz ohne Händler werde es aber nicht gehen. "Zweiradhandel ist sehr personalisiert, es geht um ein Hobby, um Emotionen und Leidenschaft", sagt Fischer. Ein Händler könne das um Klassen besser als ein Konzern. "Die Hersteller wären gut beraten, sich nicht nur über die Rendite, sondern auch über die Händler Gedanken zu machen", sagt Fischer. Man habe nichts gegen Veränderung, würde aber gerne wissen, welche Rolle einem in Zukunft zugestanden werde.
Freundschaftlichere Töne schlägt er beim Verhältnis zwischen Auto- und Motorradfahrern an. "Das Klima verbessert sich, weil zunehmend Autofahrer als Zweitfahrzeug ein Motorrad oder einen Roller und damit mehr Bewusstsein haben." Außerdem gebe es mehr Zweiräder auf der Straße, und Autofahrer hätten längst begriffen, dass sie "ihnen nichts tun". Ebenfalls zum besseren Image tragen Stern- oder Charity-Fahrten bei. "Es ist nicht nur so, dass die Leute am Straßenrand stehen und zusehen, viele klatschen auch", sagt Fischer.
Die beliebtesten Marken in Österreich sind BMW knapp vor KTM, es folgt Yamaha, Harley Davidson, Honda, Triumph und Ducati. Bei den Rollern führen Vespa, Honda, Piaggio, Yamaha, KTM, Kaymco und Sym. Zweiräder bis 125 Kubik wurden im ersten Halbjahr 2017 11.100 Stück verkauft, bei den Motorrädern waren es 12.500 Stück. Rechnet man Posten wie Handel, Dienstleistungen, Versicherungen, Veranstaltungen, Reifenhandel und Treibstoff ein, setzte der Zweiradhandel in Österreich 2013 rund 2,4 Milliarden Euro um, was einem Anteil am BIP von 0,83 Prozent entspricht. Allein auf Handel, Produktion und Reparatur entfielen 525 Millionen Euro. Die Umsatzsteigerung lag in den vergangenen fünf Jahren zwischen einem und drei Prozent. Am meisten Geschäft macht die Branche in den Monaten März bis Juli.
Schwierige Aufholjagd
"Die große Herausforderung für Händler ist es, in einer Sechs-Monate-Branche zwölf Monate zu überleben", sagt Thomas Wegscheider, Betriebsleiter der 2Rad-Börse. Wenn das Wetter schlecht sei, verkürze sich die Saison, was man in der Regel schwer aufholen könne. Die Margen würden je nach Hersteller bei zehn bis 14 Prozent liegen, oft würden sich die Importeure gegenseitig unterbieten. "Da läuft etwas falsch, wenn ein Mittelklasse-Mountainbike 4000 Euro kostet und die Marge bei 40 Prozent liegt, ein durchschnittlicher 125er-Roller 3200 Euro kostet und die Marge bei zehn Prozent liegt", sagt Wegscheider. Rollerkunden seien oft betreuungsintensiver, weil unbedarfter. Auch in der Werkstatt sei der Zeitaufwand höher als bei Motorrädern. Rückholaktionen haben sich laut Wegscheider in letzter Zeit vervielfacht. Es würden zunehmend Fahrzeuge in den Markt geschickt, die nicht ganz ausgereift seien. Die Händler müssten das ausbaden.
Die Stoßzeiten werden extremer, es sei immer schwieriger, Wartezeiten zu vermeiden. "Die Telefonanrufe sind in den vergangenen Jahren um 50 Prozent gestiegen", so Wegscheider. Er glaubt, dass die Kunden oft nicht mehr Zeit hätten, sich auf anderem Weg zu informieren. Dass ab Freitag 13 Uhr und Werktags ab 16 Uhr im Geschäft "die Post abgeht", zeige, dass sich die Zeit der Kunden zunehmend auf die Randzeiten verschiebe. Zu den Stoßzeiten brauche er doppelt so viel Personal, weshalb er bereits Saisonarbeiter beschäftigen müsse.