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"Huch, da fließt Blut"

Von Petra Tempfer

Politik

Zwei Spitzenkandidaten, ein Tisch, kein Moderator: Das ATV-Duell als Gladiatorenkampf.


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Wien. Angekündigt wurde es als Fernsehexperiment ohne Regeln und Vorgaben. Letztendlich wurde es zum vermutlich erwünschten Gladiatorenkampf. Fest stand vorher nur, dass es 45 Minuten lang dauern sollte - und wer wo sitzt. 23 gegen 22 Minuten Redezeit: So fiel schließlich die Bilanz des Live-Duells zwischen dem rechts sitzenden Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (von den Grünen unterstützt) eine Woche vor der Stichwahl am 22. Mai aus, das sich die Präsidentschaftskandidaten auf ATV ohne Moderator lieferten.

Die Sendung war dem TV-Duell 1970 zwischen Bruno Kreisky (von 1970 bis 1983 Bundeskanzler) und dem damaligen Bundeskanzler Josef Klaus (von 1964 bis 1970 Kanzler) im Fernsehstudio des Österreichischen Rundfunks nachempfunden. Damals widersprachen sich die Bundeskanzler-Kandidaten ebenfalls -blieben aber respektvoll.

Diesmal verflüchtigte sich der letzte Funken Respekt nach etwa 20 Minuten. Beide Hofburg-Kandidaten hätten sich blamiert, so die anschließende Analyse des Politikberaters Thomas Hofer. "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak widersprach jedoch. Man könne nicht zwei Stichwahl-Kandidaten in einen kleinen Raum ohne Moderator stellen und dann erstaunt feststellen: "Huch, da fließt Blut."

"Seien Sie nicht so aggressiv"

"Wir versprechen, dass wir uns sehr gut benehmen werden", hatte Hofer noch zu Beginn gesagt und sogar Van der Bellen den Vortritt bei seinem ersten Statement gelassen. Dabei ging es um die Aufgaben eines Bundespräsidenten, die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt zu fördern. "Es ist eine Richtungsentscheidung zwischen einem kooperativen Stil und einem autoritären Stil", so Van der Bellen. Und Hofer habe angekündigt, die Bundesregierung zu entlassen, "wenn sie nicht spurt". Hofer konterte mit der Aussage Van der Bellens, das Parlament aufzulösen, falls die FPÖ stärkste Kraft wird. "Finger weg vom Parlament", sagte er.

Nach wenigen Minuten war es dann schließlich so weit: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Sie mit diesem Amtsverständnis eine Tradition in Österreich brechen, die eine gute ist", so Van der Bellen zu Hofer. Daraufhin ließ keiner den anderen mehr aussprechen, die Kandidaten wechselten sprunghaft zwischen den Themen hin und her. Van der Bellen habe nicht einmal den SPÖ-Mitgliedsbeitrag bezahlt, sagte etwa Hofer. "Sie verstehen nichts von der Wirtschaftspolitik", meinte Van der Bellen.

"Ein ehrenwerter Mann wie Jean-Claude Juncker" stehe indes hinter ihm, so Van der Bellen. Politiker in Europa würden es befürworten, wenn er Bundespräsident werde. "Welcher europäische Politiker von erstem Rang befürwortet Ihre Kandidatur?", fragte der Professor in Hofers Richtung. "Seien Sie nicht so aggressiv", antwortete Hofer. Im Übrigen würden nicht Juncker oder die EU, sondern die Österreicher ihren Präsidenten wählen. Van der Bellen: "Jetzt reicht’s mir aber." Hofer: "Reden Sie mit der Flasche, denn die redet nicht zurück." Und: "Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen."

"Beide blamiert, Amt beschädigt, denn das war Kindergartenniveau", analysierte Politikberater Thomas Hofer im Anschluss an die Sendung. Die Hofburg-Kandidaten hätten zwar mitunter versucht, Themen anzuschneiden, der "Unstil" habe aber alles überstrahlt. Meinungsforscher Peter Hajek sah das ähnlich: "Wäre das Duell vor dem ersten Wahlgang so über die Bühne gegangen, wäre Frau Griss am ersten Platz gewesen."

"Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak hingegen sah das ganz anders. Das Konzept von ATV sei voll aufgegangen, sagte er in der folgenden Diskussionsrunde mit den EU-Abgeordneten Eugen Freund (SPÖ) und Harald Vilimsky (FPÖ). Das Format sei auf einen Gladiatorenkampf wie diesen angelegt gewesen. Es sei völlig unangebracht, sich danach darüber zu wundern. Außerdem: Norbert Hofer und Van der Bellen hätten sich in letzter Zeit zu oft getroffen, sie könnten sich jetzt einfach nicht mehr sehen. "Nach einer halben Stunde liegen da die Nerven blank." Auch Freund und Vilimsky hatte diese Art der Auseinandersetzung nicht überrascht.

432.000 verfolgten das Duell

Für ATV scheint das Konzept tatsächlich aufgegangen zu sein: Angaben des Senders zufolge sahen 432.000 Zuseher über 12 Jahre das Duell, 447.000 die anschließende Analyse. Damit habe es sich um die reichweitenstärkste Eigenproduktion in der Geschichte des Senders gehandelt, hieß es.