Bei einem seiner engsten Verbündeten dürfte Venezuelas Präsident Hugo Chávez derzeit Erklärungsbedarf haben: Laut einer Aussage des ehemaligen mexikanischen Außenministers Jorge Castaneda soll Chávez einen Staatsstreich gegen Kubas Staatschef Raul Castro unterstützt haben. | In Kuba wurden Anfang März völlig überraschend Vizepräsident Carlos Lage und Außenminister Perez Roque ihrer Ämter enthoben. Hintergrund der Entlassungen soll ein versuchter Coup d´Ètat gegen Raul Castro gewesen sein. Nach Meinung Castanedas könnte die unter Raul Castro begonnene Annäherung zwischen Kuba und den USA Hugo Chávez ein Dorn im Auge gewesen sein.
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Gegenüber den USA bleibt Chávez bei seinem harten Kurs. In seiner wöchentlichen Rede an die Nation fuhr Venezuelas Präsident am Wochenende gegen seinen nordamerikanischen Amtskollegen Barack Obama schwere verbale Geschütze auf: Obama sei ein Ignorant, der von Lateinamerikas Geschichte keine Ahnung habe.
Anlass für Chávez´ Äußerungen war ein Interview Obamas, in dem dieser den Präsidenten Venezuelas als Hindernis für den Fortschritt in Lateinamerika bezeichnet hatte. Chávez fügte hinzu, Obamas Aussagen würden eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern unmöglich machen: "Unter diesen Umständen werden wir auch unter Barack Obama keinen Botschafter in die USA entsenden." Chávez hatte im Vorjahr als Protest gegen die Bush-Administration seinen Botschafter aus den USA abgezogen und den amerikanischen Botschafter aus Caracas ausgewiesen.
Deutlich mehr Ungemach droht Chávez jedoch durch nationale Wirtschaftsdaten, welche die Finanzierung des venezolanischen Sozialstaates gefährden. Fallende Ölpreise spülen deutlich weniger Einnahmen in die Staatskassen als vorgesehen. Hatten Venezuelas Ökonomen 2008 noch mit einem Durchschnittspreis von 60 Dollar pro Barrel gerechnet, so musste dieser Preis nun auf 40 Dollar revidiert werden.
Dies trifft Venezuela hart, da mehr als die Hälfte aller Staatsausgaben mit Gewinnen aus dem Ölgeschäft bestritten werden. Um die sinkenden Einnahmen wettzumachen, kündigte Chávez einen drastischen Schritt an: Die Mehrwertsteuer wird von neun auf zwölf Prozent erhöht, zudem will er Staatsanleihen in der Höhe von umgerechnet zehn Milliarden US-Dollar zur Zeichnung ausgeben und zum ersten Mal seit 2003 ein Budgetdefizit in Kauf nehmen.
Von seinem "sozialen Weg" will Chávez trotz der finanziellen Turbulenzen und einer jährlichen Inflationsrate von 29,5 Prozent - der höchsten in ganz Lateinamerika - freilich nicht abgehen. Für Mai und September kündigte er bereits eine Erhöhung des staatlichen Mindestlohns um jeweils zehn Prozent an.