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Humanitäre Hilfe zwischen Anspruch und Realität

Von Michael Obrovsky

Gastkommentare
Michael Obrovsky ist Stellvertretender Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
© Elisabeth Bolius

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache als die Politik.


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Mit dem Brand im Flüchtlingslager Moria ist die Diskussion über die Hilfsbereitschaft Österreichs erneut aufgeflammt. Die von der Bundesregierung angekündigte Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds ist ein erster wichtiger Schritt zur Behebung langjähriger Versäumnisse bei der Dotierung der Humanitären Hilfe. Von Europas Spitzenfeld sind wir aber weit entfernt. Die Vielzahl globaler Krisen erfordert unmittelbare und abgestimmte Hilfsmaßnahmen der bilateralen Geberländer wie der dafür zuständigen multilateralen Einrichtungen. Dafür braucht es Budgetmittel, die eine rasche, unbürokratische Auszahlung ermöglichen und für den Katastrophenfall gewidmet sind.

In Österreich gibt es neben dem von Bund und Ländern finanzierten Katastrophenfonds für das Inland auch den Auslandskatastrophenfonds, der beim Außenministerium angesiedelt ist und von der Austrian Development Agency (ADA) verwaltet wird. Bis 2015 waren dafür nur 5 Millionen Euro im Bundesbudget vorgesehen. Das aktuelle Budget sah für 2020 eine Steigerung auf 25 Millionen Euro vor. Die Ereignisse in Moria und die Corona-Erfordernisse haben nun dazu geführt, dass die Regierung eine Verdoppelung auf 50 Millionen Euro ab 2020 und eine Erhöhung auf 60 Millionen bis zum Ende der Legislaturperiode angekündigt hat. Sie betont in aktuellen Interviews, Österreichs humanitäres Engagement sei sehr gut, verweist insbesondere auf unsere Leistungen bei der Aufnahme von Geflüchteten 2015 und 2016 und forciert statt einer Flüchtlingsverteilung in Europa den Ansatz "Hilfe vor Ort".

Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache. Laut jüngster Statistik des Ausschusses für Entwicklungshilfe der OECD aus dem Jahr 2019 liegt Österreich bei der Hungerhilfe mit rund 4 Euro pro Einwohner erst an 12. Stelle von 22 europäischen Ländern. Finnland (Rang 11) gibt pro Kopf bereits mehr als doppelt soviel aus wie Österreich, Norwegen (Rang 1) sogar mehr als das 20-Fache, Deutschland immerhin das 6,5-Fache und die Schweiz das 9-Fache.

Bei den Ausgaben für die Betreuung Geflüchteter aus Entwicklungsländern zeigt sich das gleiche Bild. Österreich liegt mit Pro-Kopf-Ausgaben von 3,10 Euro nicht nur unter dem EU-Durchschnitt (rund 9 Euro), sondern im unteren Mittelfeld, unmittelbar vor den Visegrád Staaten.

Die angekündigte Verdopplung der Humanitären Hilfe auf 50 Millionen Euro im heurigen Jahr ist zu begrüßen und trägt dazu bei, dass Österreich angesichts des absehbaren Anstiegs humanitärer Krisen mehr finanziellen Spielraum hat. Mit der Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds wird auch das Budget der ADA entlastet, das bisher für die Finanzierung von Humanitärer Hilfe und für Beiträge an multilaterale Einrichtungen einspringen musste.

Dennoch ist die Erhöhung der Humanitären Hilfe nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen. Gemessen am BIP pro Kopf im Jahr 2019, gehört Österreich zu den sechs reichsten Ländern der EU. Die angesichts dessen zurecht im Regierungsprogramm festgehaltene "schrittweise Erhöhung der Entwicklungsgelder in Richtung 0,7 Prozent des BNE" ist mit der Erhöhung von rund 25 Millionen Euro nicht zu erreichen. Die österreichische ODA-Quote (0,27 Prozent im Jahr 2019) steigt damit heuer bestenfalls um 0,01 Prozentpunkte.