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Hunderte nützen leichteren Weg zurück in den Job

Von Karl Ettinger

Politik

Ohne gröbere Startschwierigkeiten tasten sich Beschäftigte nach langer Krankheit wieder an das Berufsleben heran.


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Wien/St. Pölten. Nach 15 Jahren als Chemielabortechnikerin tauschte Frau M. im Herbst 2016 aus gesundheitlichen Gründen den Labor- mit einem Bürojob in ihrer bisherigen Firma. Gleichzeitig wandte sich die Arbeitnehmerin an die vom Sozialministerium eingerichtete Beratungsstelle Fit2work für Dienstnehmer mit anhaltenden gesundheitlichen Schwierigkeiten. Dort schilderte sie nicht nur Probleme mit Knie- und Hüftgelenk, sondern auch Beschwerden, die auf eine Erschöpfungsdepression hindeuteten. Deswegen war Frau M. schon längere Zeit im Krankenstand. Der Berater von Fit2work machte sie schließlich auf die Möglichkeit aufmerksam, dass Arbeitnehmer seit 1. Juli des vergangenen Jahres die sogenannte Wiedereingliederungsteilzeit nützen können.

Krankenkasse gleichtden Lohn aus

Hinter dem Wortungetüm versteckt sich die Chance, nach längerer Krankheit mit einer reduzierten Stundenanzahl wieder in den Beruf einzusteigen. Der Unterschied zur regulären Teilzeit besteht darin, dass Betroffene neben ihrem Lohn für die geleisteten Arbeitsstunden von der Krankenkasse auch ein Wiedereingliederungsgeld erhalten, mit dem ein Teil der Gehaltseinbußen ausgeglichen wird. Frau M. wurde daraufhin bei ihrem Dienstgeber vorstellig, der ein offenes Ohr für diese Variante hatte.

Zuerst wurde sie allerdings am Knie operiert, dann folgte eine Rehabilitation. Aber nach der Bewilligung durch die Wiener Gebietskrankenkasse und dem Ende des Krankenstandes kehrte Frau M. mit einem Dienstverhältnis über 20 Stunden vorerst für sechs Monate in ihre frühere Tätigkeit zurück. Mit Erfolg: In einer späteren Rückmeldung erzählte die Betroffene, es gehe ihr gut, sie nehme weiter Psychotherapie in Anspruch, habe durch die Arbeitszeitreduktion mehr Energie und nütze die vermehrte Freizeit für Sport.

750 Wiedereinsteiger in Wien und Niederösterreich

Frau M. ist eine von hunderten Personen, die seit der Einführung vor gut einem Jahr die Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit in Anspruch genommen haben. Eine erste Bilanz, die der "Wiener Zeitung" vorliegt, listet auf, dass allein im Bereich der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) in 575 Fällen diese Form der Rückkehr ins Berufsleben nach einer langen Erkrankung gewählt wurde. Nach den Daten der WGKK waren dabei die Frauen in der Überzahl. 377 Arbeitnehmerinnen standen 198 männliche Beschäftigte gegenüber, die davon Gebrauch gemacht haben. Diese Betroffenen waren laut der WGKK-Bilanz 98.435 Tage in Wiedereingliederungsteilzeit. Pro Fall waren es damit rund 171 Tage.

Nähere Details liegen vorerst nicht vor. Es gilt aber als gesichert, dass die meisten Betroffenen nach psychischen Problemen von der Wiedereingliederungsteilzeit Gebrauch machen.

Hintergrund für die Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit durch die frühere SPÖ-ÖVP-Bundesregierung war die Überlegung, dass es zuvor in Österreich lediglich ein Alles-oder-nichts-Prinzip gegeben hat. Jemand war entweder gesund und arbeitsfähig oder er war krankgeschrieben. Auch in der Wirtschaftskammer war man mit dieser Situation nicht glücklich. Schließlich schilderten Unternehmer wie auch Arbeitnehmer immer wieder, dass sie sich nach längerem Krankenstand zwar noch nicht die Rückkehr in den Vollzeitjob zutrauten, aber zumindest Teilzeit. Nur wurden einige vom Einkommensverlust abgeschreckt. Die teilweise Kompensation durch das Wiedereingliederungsgeld erhöht seit Juli 2017 den Anreiz, es mit einer solchen Variante zu probieren.

In der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse hat die Pressestelle praktisch auf Knopfdruck nicht nur die eigene Bilanz zur Entwicklung der Wiedereingliederungsteilzeit parat. In Niederösterreich wurden laut NÖGKK 365 Fälle von Juli 2017 bis Juni 2018 vermerkt. Auch in Niederösterreich waren die Arbeitnehmerinnen mit 59 Prozent gegenüber den Männern mit 41 Prozent in der Mehrheit.

Durchschnittsalter in Niederösterreich bei 46 Jahren

Darüber hinaus konnte die niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten der "Wiener Zeitung" in ihrer ersten Zwischenbilanz auch berichten, dass das Durchschnittsalter jener Personen, die von der neuen Wiedereingliederungsteilzeit tatsächlich Gebrauch gemacht haben, bei 46 Jahren lag. Die reduzierte Arbeitszeit dieser Personen lag bei 60 Prozent ihrer früheren Tätigkeit. Im Durchschnitt waren die betroffenen Arbeitnehmer in Niederösterreich kürzer als jene in Wien in Wiedereingliederungsteilzeit, nämlich rund 135 Tage.

In der Arbeiterkammer fällt das Resümee nach einem Jahr mit der Wiedereingliederungsteilzeit sehr positiv aus. "Die bisherigen Erfahrungswerte sind in jeder Hinsicht sehr gut", bilanziert Sozialexperte Wolfgang Panhölzl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es hätten auch viel mehr Beschäftigte als erwartet gleich in der Startphase nach längerer Erkrankung diese Form der Rückkehr in den Beruf in Anspruch genommen. Zu einem guten Teil werde davon nach psychischen Erkrankungen Gebrauch gemacht, aber auch bei Krebserkrankungen.

Geringe Schwierigkeitenmit der Administration

Dabei räumt der AK-Experte ein, dass man ursprünglich sogar ein bisschen Bauchweh gehabt habe, was die Durchführung in der Praxis betrifft. Aber: "Die befürchtete komplizierte Administration hat sich nicht bewahrheitet." Er sieht noch ein weiteres "gutes Zeichen" dafür, dass sich das neue Instrument bewährt. Denn im Gegensatz zu anderen Bereichen, in denen die Zustimmung des Dienstgebers notwendig sei, funktioniere es bei der Wiedereingliederungsteilzeit gut. Untrügliches Zeichen dafür sei, dass es bisher kaum Beschwerden bei der Arbeiterkammer gegeben habe.

Während damit auch die Unternehmer indirekt Lob einheimsen, kann man sich in der Arbeiterkammer vor dem Hintergrund des Konflikts um die Erlaubnis für den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ab 1. September ohne Einbindung der Sozialpartner und ohne Begutachtung des Gesetzesentwurfes nicht verkneifen. Die Wiedereingliederungsteilzeit habe auf Sozialpartnerebene "einen langen Vorlauf" gehabt, hebt Panhölzl hervor. Mögliche Probleme wurden da schon angesprochen.