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Hunderttausende Europäer bangen um Rechte in Großbritannien

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Bürger könnten ab Juli den Zugang zum britischen Gesundheitswesen verlieren.


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Die Frist läuft ab: Zehntausenden europäischen Bürgern in Großbritannien könnte in der kommenden Woche die Sozialhilfe gestrichen werden. Und hunderttausende Menschen wissen nicht, ob sie ab 1. Juli rechtlos sind, keinen Zugang zum Gesundheitswesen mehr haben und sogar des Landes verwiesen werden können. Von diesem Tag an brauchen sie nämlich "Ansiedler-Status" auf der Insel - und die entsprechende Bestätigung.

Die Panik, die immer mehr Betroffene ergreift, bezieht sich auf die Neuregelung des Aufenthaltsrechts nach dem Brexit. Wer länger als fünf Jahre im Vereinigten Königreich gewohnt hat, hat ein Recht auf "settled status", wobei jede Bewerbung allerdings vom Innenministerium bestätigt werden muss. Personen, die weniger als fünf Jahre im Land waren, können "pre-settled status" erhalten, einen provisorischen Status, der nach Ablauf der fünf vollen Jahre zum "settled status" führt.

Insgesamt haben sich seit dem Brexit mehr als fünf Millionen Bürger aus der EU, der Schweiz, Liechtenstein, Island oder Norwegen für eine dieser Kategorien beworben. Nun läuft die Antragsfrist zum Monatsende ab. Mehr als 320.000 Bewerber haben aber bisher offenbar noch keine Bestätigung erhalten. Sie fürchten, dass sie vom 1. Juli an ernste Probleme bekommen könnten, solange ihr Status nicht im Zentralcomputer des Ministeriums eingespeist ist.

Kontrollen bei Vermietern

Denn künftig muss seinen Status nachweisen, wer zum Beispiel einen Job ausüben, eine Wohnung mieten, das Nationale Gesundheitswesen in Anspruch nehmen oder auch nur wieder nach einem Auslandsaufenthalt in Großbritannien einreisen will. Und schon Personen mit bewilligtem "Ansiedler-Status" haben sich bitter darüber beklagt, dass sie an der Grenze aufgehalten oder sogar abgewiesen wurden, weil Grenzbeamte ihren Computereintrag nicht finden konnten. Eine Ausweiskarte ausstellen will der britische Staat aus Kostengründen nicht.

Schwierigkeiten erwachsen so insbesondere allen, die noch auf die Bewilligung ihres Antrags warten. Sie müssen befürchten, dass potenzielle Vermieter, Betriebe und Ämter ihr Aufenthaltsrecht anzweifeln - und sie vom 1. Juli an in einer rechtlichen Grauzone landen.

Die Regierung hat zwar versichert, niemand brauche sich Sorgen zu machen, es werde "pragmatisch und flexibel" verfahren. Wer jedoch künftig in Großbritannien Europäer ohne nachweisliches Aufenthaltsrecht beschäftigt oder Wohnraum an solche Personen vermietet, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Kontrollen sind angesagt.

Viele Kontinentaleuropäer rechnen nun damit, dass Vermieter und Betriebe es sich künftig einfach machen werden, indem sie ihre Wohnungen und Jobs automatisch an britische oder irische Staatsangehörige geben. Die Iren haben als einzige EU-Bürger in Großbritannien generelles Aufenthaltsrecht.

Aus für Sozialhilfe

In besonders prekärer Situation finden sich ab nächster Woche aber Europäer, die es aus irgendwelchen Gründen versäumt haben, einen Antrag auf "settled status" einzureichen. Es wird vermutet, dass zum Beispiel zehntausende ältere Bürger, die ihr Aufenthaltsrecht für selbstverständlich halten, sowie viele behinderte Personen, Kinder und Angehörige von EU-Bürgern aus Nicht-EU-Staaten in diese Kategorie fallen.

Am schlimmsten trifft es dabei Sozialhilfe-Empfänger, die keinen "Ansiedler-Status" beantragt haben. Ihre Zahl hat die Regierung, wie die Londoner "Times" jetzt meldete, noch zu Monatsanfang auf 130.000 geschätzt.

Dieser Personengruppe würde nach aktueller Rechtslage am Donnerstag nächster Woche der Lebensunterhalt gestrichen. Eine solche Situation, warnte die "Times", würde "die ohnehin schon angespannten Beziehungen" zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nur noch weiter verschlechtern.