Beim Energieeffizienzgesetz drängt die Zeit - die Koalition hofft auf die Zustimmung der Grünen.
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Wien. Reinhold Mitterlehner ist nicht zu beneiden: Den Grünen muss der Wirtschaftsminister erklären, dass im geplanten Energieeffizienzgesetz so viel Öko wie nur irgend möglich steckt; und in Richtung der Freiheitlichen muss ausgerechnet der Vertreter des ÖVP-Wirtschaftsbundes beteuern, dass der Entwurf ohnehin "durchaus wirtschaftslebbar" sei.
Mitterlehners doppeltes Werben ist verständlich, die Koalition benötigt die Zustimmung einer der beiden Oppositionsparteien, um im Nationalrat die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erhalten (Neos und Team Stronach spielen, weil zu klein, keine Rolle). Allerdings lehnen derzeit Grüne wie auch Freiheitliche den Entwurf ab. Zudem drängt die Zeit, denn eigentlich sollte das Energieeffizienzgesetz gemäß einer EU-Verordnung noch im Juni in Kraft treten. Die EU-Regelung gibt den Mitgliedsstaaten ein Energiesparziel von jährlich 1,5 Prozent vor. Der diese Woche vom Ministerrat beschlossene Regierungsentwurf sieht eine Stabilisierung des Energieverbrauchs bis 2020 bei 1,1 Millionen Terajoule vor.
Das Vorhaben ist bereits ein alter Bekannter auf der innenpolitischen Agenda. Vor fast genau zehn Jahren erfuhr die Öffentlichkeit zum ersten Mal von der Idee eines Energieeffizienzgesetzes: Im Oktober 2004 forderten diverse Umweltorganisationen von der damaligen schwarz-blauen Regierung eine solche Initiative, "die das Energiesparen zum Grundsatz hat und rechtlich festlegt"; schließlich seien "langfristig niedrige Energiekosten für Stromverbrauch nur möglich, wenn der Verbrauch eingedämmt wird".
Von niedrigen Stromkosten ist heute längst keine Rede mehr, tatsächlich wird auch das Energieeffizienzgesetz - wie zuvor schon die diversen Maßnahmen zur Förderung von Ökostrom - für die Endverbraucher wohl zu höheren Preisen führen. Die E-Wirtschaft jedenfalls warnt unter Bezug auf eine Wifo-Studie vor Mehrbelastungen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Dass diese eins zu eins an die Kunden weitergereicht werden könnten, treibt wiederum Konsumentenschützer um. Fürsprecher der Energiewende halten diese Summe für zu hoch gegriffen und betonen stattdessen die Notwendigkeit, im Bereich der Energieeffizienz endlich Fortschritte zu erzielen. Ziel müsse es sein, auch bei steigender Wirtschaftsleistung den Energieverbrauch zu senken. Bislang verlaufen beide Kurven parallel.
Allein es hapert an der Umsetzung. Der bis dato letzte Versuch scheiterte unmittelbar vor der Nationalratswahl 2013. Diesmal soll es aber klappen.
Strafen bis 100.000 Euro
Nach dem Beschluss im Ministerrat sind nun die Parlamentsklubs am Zug. ÖVP-Verhandlungsführer Josef Lettenbichler setzt seine Hoffnungen vor allem auf die Grünen, auch wenn er die FPÖ noch nicht abschreiben will. Und er gesteht ein, dass es in der Volkspartei auch noch erheblichen Gesprächsbedarf gibt. Vor allem Industrie, Wirtschaftskammer und E-Wirtschaft wehren sich gegen das Gesetzespaket. Besonders umstritten ist das Vorhaben, die Energieversorger künftig via "Lieferantenverpflichtung" dazu zu verdonnern, ihre Kunden zum Stromsparen zu bewegen; bei Nichteinhaltung der vorgegebenen Energiesparziele sind Pönalen bis zu 100.000 Euro möglich. Gelten soll diese Verpflichtung ab 2015. Die Wirtschaftskammer erinnert diese Verpflichtung der Energieversorger, ihre Kunden zu einem geringeren Verbrauch zu bewegen an "einen Schnitzelwirt, der seine Gäste motivieren müsse, fleischlos zu essen".
Das ist zwar polemisch überspitzt, aber auch nicht völlig falsch: Tatsächlich ist es der übergeordnete Zielgedanke des geplanten Gesetzes, Energieversorgern künftig in Energiedienstleister zu verwandeln, für die nicht allein steigender Verbrauch das betriebswirtschaftliche Erfolgskriterium ist, sondern auch das übergeordnete Ziel steigender Energieeffizienz. Das Betriebsergebnis sollte darunter aber tunlichst nicht leiden, schließlich hat die öffentliche Hand als Co-Eigentümer zahlreicher Versorger nicht nur Interesse an der Energiewende, sondern auch an sprudelnden Gewinnen.
Die Koalition hat nun bis längstens 10. Juli, dem letzten Plenartag vor der Sommerpause, Zeit, interne Unstimmigkeiten und einen Konsens entweder mit Grünen oder Blauen zu erzielen. Scheitert das Gesetz erneut, drohen Sanktionen durch die EU. Wie diese genau aussehen könnten, ist laut Lettenbichler allerdings offen, da Österreich nicht das einzige Mitgliedsland ist, welches in diesem Bereich dem vorgegebenen Zeitplan hinterherhinkt. Bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 25. Juni reicht dabei noch die Mehrheit von SPÖ und ÖVP, um das parlamentarische Prozedere am Laufen zu halten. Die Gespräche mit der Opposition sollen bereits kommende Woche beginnen.
Den Grünen geht es dabei vor allem um die Energiewende und einen sinkenden Verbrauch; statt diesen nur auf dem gegenwärtigen Niveau zu stabilisieren, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, will die Ökopartei den Verbrauch bis 2020 deutlich senken und bis 2050 sogar halbieren. Außerdem haben sie es auf die Förderungen von fossilen Brennstoffen und Ölheizungen abgehen. Was genau "deutlich senken" heißt, lassen sich die Grünen noch offen. Die parlamentarischen Verhandlungen beginnen schließlich erst jetzt.