Zumindest die Inszenierung für die Fotografen passte auf dem EU-Ukraine-Gipfel in Brüssel: Kiews Außenminister Konstantin Grischtschenko scherzte entspannt mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle; dahinter postierten sich Hochkaräter wie EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Ratspräsident Herman van Rompuy und der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch.
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Das unterzeichnete Abkommen - der vereinbarte "Aktionsplan" zur Visafreiheit für Ukrainer, um den es hauptsächlich ging - kann mit der Inszenierung nicht ganz mithalten. Der Plan enthält eine ganze Reihe von Hausaufgaben, die Kiew noch erfüllen muss, um seinen Bürgern eines fernen Tages das quälende Visa-Procedere ersparen zu können: von der besseren Sicherung der Außengrenzen bis - der Skandal um illegal verkaufte Visa wirkt immer noch nach - zur Einführung biometrischer Pässe. Selbst wenn die Ukraine alle EU-Forderungen erfüllt, entsteht - anders als von Kiew gewünscht - kein Anspruch auf Visafreiheit: Die delikate Materie bleibt eine politische Entscheidung.
Die Visafrage wirft ein Schlaglicht auf das oft von Wunschdenken geprägte Verhältnis der EU zur Ukraine: Langjährigen Beteuerungen und Lockungen zum Trotz, die Ukraine sei ein wichtiger Teil Europas, hatte Brüssel, das selbst unter der Wirtschaftskrise stöhnt, den Menschen zwischen Bug und Don außer schönen Worten nur wenig Substanzielles anzubieten: Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen etwa gehen sehr schleppend voran. Wenn sich die ukrainische Wirtschaft unter der neuen Führung um Janukowitsch nun wieder kräftig erholt, so hat daran weit eher der traditionelle Partner Russland Anteil: Seit dem Machtwechsel im Frühjahr wurden zahlreiche gemeinsame Projekte, etwa im Atombereich oder im Flugzeugbau, vorangetrieben, die die gebeutelte Schwerindustrie des Landes wieder hoffen lassen. Zudem ist eine Wiederholung des russisch-ukrainischen "Gaskrieges" vom Jänner 2009 aufgrund des neuen Kuschelkurses mit Moskau nach Ansicht von Beobachtern extrem unwahrscheinlich - trotz teils erheblicher Differenzen beim Gaspreis.
Die EU-Politik gegenüber der Ukraine ist dagegen weniger von wieder auflebenden traditionellen Bindungen denn von Uneinigkeit geprägt: Während Anrainerstaaten wie Polen eine enge Anbindung der Ukraine forcieren, zeigen sich "alte" EU-Staaten wie Deutschland oder Italien in erster Linie an verlässlichen Gaslieferungen aus Russland oder an wirtschaftlichen Perspektiven interessiert. Dass sich seit dem Amtsantritt Janukowitschs die Klagen aus der Ukraine über unter Druck gesetzte Journalisten, dubiose Stimmauszählungen bei Wahlen oder eine willfährig gemachte Justiz wieder häufen, macht den schleppenden Annäherungsprozess für Brüssel nicht leichter.