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Hürden im Kampf gegen den Terror

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Die CIA hat dem Jemen nicht geholfen, einen gefährlichen Al-Kaida-Führer zu verfolgen - weil es sich um einen US-Bürger handelte.


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Im Oktober 2009 bat die jemenitische Regierung die CIA, Geheimdienstinformationen über das Netzwerk von Anwar al-Aulaqi zu sammeln, einen in den USA geborenen Al-Kaida-Ausbilder. Was darauf folgte, ist - im Licht der späteren Ereignisse betrachtet - ziemlich beklemmend. Die CIA kam zu dem Schluss, dass sie dem Jemen bei der Verfolgung Aulaqis nicht helfen könne, hauptsächlich, weil es keine Beweise gab, dass ganz konkret durch ihn amerikanische Menschenleben gefährdet waren. Und das muss gegeben sein, bevor die USA gegen einen US-Bürger eine "Capture-or-kill-Aktion" einleiten können. Auch das Ansuchen des Jemen um Hilfe bei der Verfolgung Aulaqis durch eine Spezialeinheit des US-Militärs wurde abgelehnt.

Aber sogar, wenn die CIA zu dem Zeitpunkt solche Beweise gehabt hätte und US-Soldaten seine Verfolgung aufgenommen hätten, wäre immer noch eine spezielle Genehmigung des National Security Council nötig gewesen. Jede Gewaltanwendung gegen einen US-Bürger, die tödlich enden kann, muss von der US-Regierung geprüft werden.

Die dadurch ermöglichte Kette von Ereignissen ist eine bestürzende Demonstration von der Machtfülle Aulaqis als Al-Kaida-Mitarbeiter. Am 5. November tötete Major Nidal Hasan 13 Kollegen im texanischen Fort Hood, nachdem er laut Associated Press einen regen E-Mail-Austausch mit Aulaqi hatte. Zu Weihnachten versuchte Umar Farouk Abdulmutallab, ein im Jemen lebender Nigerianer, ein Flugzeug auf dem Weg nach Detroit zu sprengen. Er soll mittlerweile gestanden haben, dass ihn Aulaqi ausgebildet hatte.

Es gibt aber noch mehr Gründe, warum es sich lohnt, sich den Fall Aulaqi näher anzusehen. Im Nachhinein betrachtet ist seine Gefährlichkeit unübersehbar klar. Natürlich sind retrospektive Analysen unfair, sie ermöglichen aber einen kritischen Blick auf die politischen Grundlagen.

Besonders überrascht, wie viele Informationen sowohl das FBI als auch die CIA bereits über ihn hatten. Mindestens zwei 9/11-Attentäter hatten die Moschee in San Diego besucht, wo Aulaqi predigte. Und seine Telefonnummer wurde in der Wohnung von Ramzi Binalshibh gefunden, dem sogenannten "20. Entführer".

Besonders das FBI interessierte sich schon vor dem 11. September 2001 für Aulaqi, weil er Spenden für die Hamas gesammelt haben soll. Bei mehreren Geheimdiensten stand er schon vor fast einem Jahrzehnt im Verdacht, ein Al-Kaida-Mitarbeiter zu sein.

Auch Hasan hatte ein Moschee besucht, in der Aulaqi predigte, in Northern Virginia. Es entspann sich ein E-Mail-Kontakt zwischen den beiden, der schon vor dem Attentat von Fort Hood bekannt war, aber keine weiteren Maßnahmen auslöste. Mit der bestehenden Schwelle, ab der Inhalte Aufmerksamkeit und Besorgnis erregen, kann etwas nicht stimmen.

Es fehlten nicht Geheimdienstinformationen, meint ein US-Regierungsbeamter, der mit dem Fall vertraut ist: "Selbst die Jemeniten schrieben Aulaqi keine ausführende Rolle zu. Es geht hier um die politische Entscheidung, keinen Fuß auf den Boden zu setzen." Jedweden militärischen Aktionen sind damit natürlich sehr enge Grenzen gesetzt.

Bleibt nur noch die Frage: Ist es wirklich sinnvoll, erst eine spezielle Erlaubnis des nationalen Sicherheitsrats einholen zu müssen, bevor eine potenziell tödliche Aktion gegen einen Bürger der USA unternommen werden kann?

Meine Antwort lautet: Ja. Diese Hürde, die 2009 Geltung hatte, bestand damals zu Recht und sollte weiter bestehen. Jede Anwendung von Gewalt, die tödlich enden kann, muss sorgfältig geprüft werden, ganz besonders wenn sie Amerikaner betrifft.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".