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Hürdenlauf gegen die Zeit

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Neuer Anlauf für Verhandlungen über ein Hilfsprogramm für Griechenland.


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Brüssel/Straßburg. Neu, leicht modifiziert oder stark verändert? Die Vorschläge der Griechen für weitere Gespräche mit den internationalen Kreditgebern gaben auch gestern, Dienstag, Rätsel auf. Bis zum Beginn eines Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs war nicht klar, welche Pläne die Regierung in Athen vorlegen möchte. Die Finanzminister der Eurozone, die zuvor zu einer Sitzung nach Brüssel gereist waren, konnten jedenfalls über keinen neuen Hilfsantrag entscheiden - da dieser noch nicht eingetroffen war. Der frisch ernannte Finanzminister Euklid Tsakalatos, der erst am Tag zuvor Yanis Varoufakis abgelöst hat, habe keine Vorschläge präsentiert.

Allerdings könnten die schon am heutigen Mittwoch vorliegen. So gab es Spekulationen über einen neuen Hilfsantrag, den die griechische Regierung stellen könnte. Schon Ende des Vormonats, denkbar kurz vor dem Auslaufen des damaligen Programms, hat Premier Alexis Tsipras um ein zweijähriges Hilfspaket mit Krediten aus dem Euro-Rettungsfonds ESM ersucht. Als Summe, die zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen des Landes nötig wäre, wurden 29 Milliarden Euro genannt. Einen neuen Antrag erwartete der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, schon bald. Auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici äußerte die Hoffnung auf ein rasches Abkommen mit Athen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schränkte jedoch kurz darauf ein: Eine Grundlage für konkrete Verhandlungen mit Griechenland gebe es noch nicht.

Kredit unter Bedingungen

Allerdings ist der Weg zu weiteren Hilfen mühsam. Um die Möglichkeiten des ESM auszuschöpfen, hat Griechenland nämlich Bedingungen zu erfüllen, die wohl auf ebenso wenig Sympathie in der Bevölkerung stoßen würden wie die Sparmaßnahmen, die beim Referendum am Sonntag abgelehnt wurden. Reformen und die Verpflichtung zu mehr Haushaltsdisziplin werden aber unvermeidlich sein. Eine weitere Hürde schaffen die ESM-Regeln in den nationalen Parlamenten. Der deutsche Bundestag etwa muss weiteren Finanzhilfen zustimmen - und erst dann darf der Finanzminister im entscheidenden ESM-Gremium dafür votieren.

Doch braucht dieser Prozess, auch wenn er positiv verläuft, seine Zeit. Daher gibt es schon Überlegungen zu einer möglichen Brückenfinanzierung für den Staat, der sich am Rand des Bankrotts bewegt. Dass Mittel vorgezogen werden, schloss etwa der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna nicht aus. Sein Land hat in der Vorwoche den EU-Vorsitz übernommen. Auch der österreichische Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sprach über Möglichkeiten, den finanziellen Engpass Griechenlands zu überbrücken. Unter bestimmten Voraussetzungen könne die Europäische Zentralbank (EZB) Liquidität geben, wenn die Regeln das erlauben, befand das EZB-Ratsmitglied in einem ORF-Interview. Die Oesterreichische Nationalbank präzisierte, dass es dabei um einen eventuellen Vorgriff auf eine ESM-Finanzierung gehe.

Dass es eine Lösung für die Liquidität geben müsse, betonte ebenfalls Finanzminister Hans Jörg Schelling. Für eine Brückenfinanzierung gebe es mehrere Varianten. Sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble aber unterstrich einmal mehr, dass die Euro-Zone ohne ein Programm mit Spar- und Reformvereinbarungen ein Land nicht unterstützen könne.

Dass die Meinungen über das weitere Vorgehen im Schuldenstreit unterschiedlich sind, zeigte sich ebenfalls beim Treffen der Staats- und Regierungschefs. Während sich etwa Deutschland gegen einen Schuldenschnitt ausspricht, sollte aus der Sicht Frankreichs zumindest eine Umschuldung "kein Tabuthema" sein. Das Ziel sei, Griechenland in der Euro-Zone zu halten, erklärte Staatspräsident François Holland. Als Vermittler zwischen Athen und Brüssel bot sich schon der italienische Premier Matteo Renzi an.

Andere Mitglieder der Währungsgemeinschaft hingegen bringen wenig Verständnis für die Griechen auf. In der Slowakei und in Lettland etwa wird darauf verwiesen, dass die eigenen Bürger ebenfalls mit Pensions- und Lohnkürzungen konfrontiert waren. Ihre Verpflichtungen zur Rückzahlung von Krediten hätten die Länder trotzdem erfüllt.

Auftritt im EU-Parlament

Im EU-Parlament fallen die Bewertungen der Lage ebenfalls unterschiedlich aus. Während etwa die Europäische Volkspartei eine Schuldenreduktion und Strukturreformen als unerlässlich ansieht, gibt es unter den Sozialdemokraten die Forderung, die strikte Sparpolitik zu überdenken.

Die Debatte wird am heutigen Mittwoch bei der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses in Straßburg ihre Fortsetzung finden. Dazu werden nicht nur die Präsidenten der Kommission und des EU-Rates, Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, erwartet. Auch Premier Tsipras hat sein Kommen angekündigt.