492.000 Personen in Österreich akut von Armut betroffen. | Wien. Die Österreichische Armutskonferenz macht die Vergabebedingungen der Sozialhilfe zum Thema. In einem ORF Morgenjournal-Interview äußerte sich der Armutsexperte Martin Schenk in diesem Zusammenhang kritisch, was die ab Herbst geplante Grundsicherung betrifft. Er vermutet eine "Neuauflage" der Sozialhilfe und zweifelt an realen Verbesserungen beim Bezug.
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Was die Armutskonferenz in einer aktuellen Studie feststellte, wissen Sozialhilfeempfänger schon längst: Wer angewiesen ist auf die staatliche Minimalunterstützung, muss oft erst um diese "kämpfen". "Der Sozialhilfe-Vollzug hat in weiten Bereichen ein von der Gesetzeslage abgewandtes Eigenleben entwickelt", schreibt die Armutskonferenz in einer aktuellen Presseaussendung. Das Netzwerk, deren Mitgliedsorganisationen 500.000 Hilfesuchende im Jahr betreuen, fordert deshalb die Bundesländer auf, "Maßnahmen zur Verbesserung des Vollzugs vorzulegen".
Alarmierende Unterschiede in den Bundesländern
Anlass für die aktuelle Forderung ist eine breit angelegte Studie, in der Hilfs- und Beratungseinrichtungen in ganz Österreich über ihre Erfahrungen mit der Sozialhilfe befragt wurden. Das Ergebnis lässt auf sehr unterschiedliche Bedingungen für die Bezieher schließen. So würden die Vollzugspraktiken je nach Bundesland, Bezirk oder Gemeinde variieren. Ein Drittel der Beratungseinrichtungen berichtet, dass die Hilfesuchenden am Sozialamt Falschauskünfte erhalten hätten. 17 Prozent der sozialen NPOs machen die Erfahrung, dass Sozialämter Anträge ablehnen, 47 Prozent, dass Rechte nur nach Intervention von außen zugestanden werden. Allein hätten Betroffene - obwohl anspruchsberechtigt - keine Chance gehabt. Mehr als ein Drittel weiß von Demütigungen Bedürftiger in den Ämtern.
"Wer schnell hilft, hilft doppelt", so die Botschaft der Armutskonferenz. Gleichzeitig mit der Einführung des Grundeinkommens müsse vor allem auf einen verbesserten Zugang geachtet werden. Statt einfacher Schuldzuweisungen an das häufig selbst überarbeitete Personal in den Sozialämtern, wird deshalb eine Aufstockung an qualifizierten Fachkräften für die "komplexen Aufgaben" gefordert. Ebenso wäre laufende Unterstützung in Form von Weiterbildung, Supervision oder Burnout-Prophylaxe dringend nötig.
Geldsparen durch individuelle Problemlösungen
Die Armutskonferenz ist davon überzeugt, dass man durch multiprofessionelle Teams, die die Zeit hätten, auf die Problemlage einzelner Personen einzugehen, langfristig viel Geld sparen könnte. Bei vielen Betroffenen wäre die Sozialhilfe-Bedürftigkeit ein Aspekt einer umfassenderen und komplexen Problemlage. Würde diese gezielt in Angriff genommen, könne möglicherweise viel schneller wieder auf den Bezug der staatlichen Unterstützung verzichtet werden.
Dass die Armutskonferenz damit neuerlich ein Thema aufgreift, das viele Menschen in Österreich bewegt, zeigten nicht zuletzt die Demonstrationen im Frühling dieses Jahres, als 10.000 Menschen gegen die Übernahme der Bankenverluste durch die Steuerzahler protestierten. Gleichzeitig wurde das bedarfsorientierte Grundeinkommen gefordert. Die Armutskonferenz hat weitere Aktionsmaßnahmen ab September geplant.
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