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Wertsteigerungen bei Aktien und Immobilien im Visier. | Verluste müssten abschreibbar werden. | Startschuss für Kapitalflucht? | Auf den ersten Blick erscheint eine Vermögenszuwachssteuer mehr als gerecht. Wer seine Sparreserven beispielsweise in Sparbüchern anlegt, muss seit langem Kapitalertragssteuer (KESt) zahlen. Das sind immerhin 25 Prozent von oft sehr niedrigen Zinsen.
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Anders ist das bei Aktien- oder Immobilien-Veranlagung: Wohl ist beispielsweise für Dividenden (diese sind die Ausschüttung von Gewinnanteilen - sofern es Gewinne gibt - an Aktionäre) ebenfalls KESt zu zahlen. Einem Trugschluss unterliegt freilich, wer in dem 25-prozentigen KESt-Satz auf Dividenden eine Bevorzugung gegenüber der Einkommensteuer auf persönliche Einkommen (bei Besserverdienenden: 50 Prozent) sieht. Denn eine Aktiengesellschaft musste vorher schon Körperschaftssteuer (KöSt) zahlen. Und die beträgt ebenfalls 25 Prozent. KöSt und KESt ergeben bei Dividenden damit in Summe genau die 50 Prozent der höchsten Einkommensteuer.
Aktien werden aber meist nicht wegen der Dividenden gekauft, sondern wegen des Wertzuwachses, den eine Aktie im Fall steigender Kurse erzielt. Dieser Zuwachs ist nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei zu lukrieren: Bei Wertpapieren beträgt diese Frist ein Jahr, bei Immobilien zehn Jahre.
Das ist ungerecht und unlogisch, kann man mit Fug und Recht argumentieren. Und diesem Urteil hat sich nun offenbar auch die ÖVP angeschlossen, nachdem schon ihr Vordenker Claus Raidl damit vorgeprescht ist.
Die Aktion wird auch Etliches in die Staatskasse bringen - jedoch viel weniger als erwartet. Und zwar aus mehreren Gründen.
Erstens: Wenn der Vermögenszuwachs steuerpflichtig ist, dann muss logischerweise auch ein Vermögensverlust steuermindernd sein. Alles andere wäre grob verfassungswidrig. Bei der Entwicklung der Börsen in den letzten Monaten muss diese Perspektive einem Finanzminister aber heftiges Zittern in der Kniekehle auslösen.
Zweitens: Die günstige Besteuerung von Vermögen ist zusammen mit dem Bankgeheimnis ein starkes Motiv, Gelder in Österreich anzulegen. Diese Konstruktion hat ja auch schon den deutschen Finanzminister Steinbrück zur Weißglut gebracht. Die Lust, in Österreich zu veranlagen, wird durch die neue Steuer sicher kleiner werden.
Drittens gilt im Gegenteil: Von der Schweiz bis Liechtenstein bis zu exotischen Inseln wird wohl bald an Konstruktionen gebastelt werden, derzeit in Österreich liegendes Geld wegzulocken. Die Schweiz hat ja schon klargemacht, dass sie nicht daran denkt, ihre Rolle als Steuerschlupfloch aufzugeben. Wenn sie da schon dem deutschen Druck nicht nachgibt, wird sie sich um österreichische Klagen noch viel weniger kümmern.
Viertens: Bei Immobilien wird sehr bald der Dauerkonflikt rund um das Stichwort "Einheitswert" wieder auflodern, und zwar zwischen dem Populismus der Parteien und den Gerechtigkeitsaposteln im Verfassungsgerichtshof. Die Parteien wollen aus Rücksicht auf Bauern und Häusl-Besitzer die unrealistisch niedrigen Einheitswerte nicht erhöhen. Der Verfassungsgerichtshof erkennt darin - zu Recht - jedoch eine Diskriminierung all jener, die ihr Vermögen anders (etwa in Sparbüchern) angelegt haben als in solchem Grundbesitz.
Wegen dieser Diskrepanz hat er ja etwa die Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgehoben. Man kann wetten: Sofort nach Einführung der neuen Steuern wird sich ein Besitzer eines Aktiendepots beim VfGH beklagen, dass er mehr Vermögenszuwachssteuer zahlen muss als ein Bauer für seinen Hof.
Hinter all diesen Sorgen verschwindet fast die ebenfalls sehr heikle Detailfrage, ob ein Vermögenszuwachs (etwa durch einen Boom auf dem Immobilienmarkt) sofort zu versteuern sein wird, oder erst dann, wenn Grundstück oder Aktien verkauft werden.