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Husáks Kinder werden Eltern

Von Michael Schmölzer

Politik

Während EU-weit der Trend zu Geburtenrückgängen anhält, meldet die Tschechische Republik einen Anstieg beim Nachwuchs. Um eine langfristige Entwicklung handelt es sich dabei freilich nicht, vielmehr um die späten Auswirkungen kommunistischer Familienpolitik.


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Wie der tschechische Rundfunksender "Radio Prag" berichtete, ist die Bevölkerung bei unserem nördlichen Nachbarn in den ersten sechs Monaten des Jahres 2004 um 2025 Personen gewachsen. Neben jenen Faktoren, die auch für die alten EU-Länder gelten - Abnahme der Todesfälle durch verbesserte medizinische Versorgung und verstärkter Zuzug von Ausländern - liegt diese Zunahme auch am Anstieg der Geburtenzahl in Tschechien: Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres kamen fast 2.200 Kinder mehr zur Welt, was einen Anstieg um mehr als 4,5 Prozent bedeutet. Zum Vergleich: Österreich verzeichnet einen Geburtenrückgang von etwa 2 Prozent.

Die erfreulichen Zahlen sorgen bei Tschechiens Demografen und Politikern allerdings keineswegs für Jubelstimmung. Vielmehr ist von Kindern als "aussterbende Art" die Rede, und die Tschechen werden bereits in die Liste der "aussterbenden Völker" gereiht.

Demografische Blase

Was also ist die Ursache des scheinbaren Widerspruchs? Bei dem derzeitigen Geburtenüberschuss handelt es sich um seine so genannte "demografische Blase", einen Effekt der Familienpolitik früherer Zeiten. Denn die Eltern der heutigen Neugeborenen sind die so genannten "Husák-Kinder" aus den geburtenstarken Jahrgängen der 70er Jahre. Nach der blutigen Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 gab es in der Phase der so genannten "Normalisierung" unter dem KP-Hardliner Gustav Husák Förderungen und Beihilfen für Familien, die tatsächlich zu einem deutlichen Anstieg der Geburten führten. Zahlreiche Wohnförderungen für Jungfamilien und nicht zu knapp bemessenes Kindergeld machten Großfamilien attraktiv.

Geburtsstau

Die gegenwärtige Geburtenwelle ist also nur ein - abgeschwächter - Widerhall dieses früheren Geburtenhochs. Ein weiterer Faktor ist, wie die Bevölkerungswissenschaftlerin Jitka Rychtaríková von der Karlsuniversität Prag nachweist, dass das Gebäralter der Tschechinnen seit der politischen Wende 1989 kontinuierlich angestiegen ist, und sich jetzt ein "Geburtsstau" vergangener Jahre gewissermaßen entlädt. Ein Effekt, der langfristig kaum Auswirkungen auf die Bevölkerungspyramide in der Tschechischen Republik haben wird. Was Rychtaríková dagegen Sorgen bereitet ist der Umstand, dass vor der Wende jährlich etwa 130.000 Babies zur Welt kamen, heute aber nur noch 90.000, Tendenz gleichbleibend. Während die Durchschnittstschechin in den 80er Jahren 1,9 Kinder bekam, waren es 1995 nur noch 1,1. Das ist weniger als im traditionell geburtenschwachen Deutschland, wo jede Frau auf durchschnittlich immerhin 1,4 Kinder kommt.

Wertewandel

Die Ursachen sind die gleichen wie in den anderen westeuropäischen Ländern: Die Tschechen heiraten später als noch vor einigen Jahrzehnten und man legt mehr Wert auf eine gediegene Ausbildung und Erfolg im Beruf. Zudem sind nach dem Zusammenbruch des - das kollektivistische Prinzip predigenden - KP-Regimes die Möglichkeiten der individuellen Entfaltung bedeutend größer geworden.

Zukunftsforscher haben angesichts dieser Entwicklungen bereits zum Rechenstift gegriffen und sehen das 10 Millionen Volk der Tschechen in 300 Jahren auf rund 62.000 Personen reduziert. Aber auch abseits dieser etwas spekulativen Hochrechnungen beginnt man sich in Tschechien Sorgen zu machen. Neben den bekannten negativen Auswirkungen für das Pensionssystem äußert man auch andere gesellschaftspolitische Bedenken: Wenn es immer mehr alte Menschen gibt, dann nimmt auch deren politische Macht zu, ist man sich sicher: "Im Englischen gibt es dafür bereits den Ausdruck grey power. Und diese Kraft wird sich dann immer gegen Innovationen und bestimmte Entwicklungen stellen", übt sich die Demografin Rychtaríková gegenüber "Radio Prag" in grundlegendem zivilisatorischem Pessimismus.

Zuwanderung "keine Lösung"

Eine mögliche Lösung des Problems wäre verstärkte Zuwanderung. Rychtaríková glaubt aber kaum, dass ein massiver Zuzug von Menschen aus fremden Kulturkreisen - wie er nötig wäre - von den Tschechen akzeptiert würde. Ihr Appell an die tschechischen Politiker lautet daher: "Bessere Bedingungen für Familien schaffen."