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Hussein-Neffe hat Chance auf Asyl

Von Katharina Schmidt

Politik

Bashar N. wird im Irak gesucht und wurde in Traiskirchen aufgegriffen.


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Wien. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer um den Erdball verbreitet: Der Neffe des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein hat in Österreich Asyl beantragt. Tatsächlich wurde der 42-jährige Bashar N. im Zuge einer routinemäßigen Kontrolle am Bahnhof von Traiskirchen aufgegriffen. Offenbar war er gerade am Weg zur Erstaufnahmestelle (EASt). Da er Angst vor anderen irakischen Asylwerbern hat, befindet er sich allerdings derzeit an einem geheimen Ort und nicht in der EASt.

Wie ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte, gab N. an, mit falschem Pass und unter falschem Namen per Flugzeug von Istanbul nach Schwechat und dann mit dem Regionalzug weiter nach Traiskirchen gereist zu sein. Den Pass habe ihm der Schlepper am Flughafen abgenommen, an den Namen könne er sich nicht mehr erinnern. N. beantragte jedenfalls sofort Asyl - mit der Begründung, dass er von den irakischen Behörden verfolgt werde.

Tatsächlich suchen ihn die Behörden seit 2006 - dem Jahr, in dem Hussein vor Gericht gestellt und hingerichtet wurde. Allerdings geht es dabei entgegen anderslautenden Meldungen nicht um einen internationalen Haftbefehl, sondern um eine "Personenfahndung zur Aufenthaltsfeststellung". Da kein Haftbefehl wegen allfälliger Verbrechen in der Zeit der Saddam-Herrschaft gegen ihn vorliegt, stellt sich auch die Frage einer Auslieferung - sei es nun an den Irak oder an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag - nicht. Im Asylverfahren werde man "abwägen", ob man der irakischen Personenfahndung nachkommen kann.

"Verfolgung im Irak istklassischer Fluchtgrund"

Zunächst wird aber geprüft, ob N. überhaupt zum Verfahren zugelassen wird. Denn Österreich ist nach der Dublin-II-Verordnung nur dann für das Asylverfahren zuständig, wenn der Betroffene nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Sollten die Behörden keine Gegenbeweise für seine Darstellung der Flugreise finden, stehen die Chancen dafür allerdings sehr gut.

Ebenfalls gute Chancen hat er, einen Asylstatus zu erhalten. "Wenn er nachweisen kann, dass er in seiner Heimat nicht vor privater oder staatlicher Verfolgung geschützt wird, dann ist das ein klassischer Fluchtgrund", sagt Anny Knapp von der Asylkoordination. Einzige Voraussetzung: Er darf keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Aber selbst, wenn N. kein Asyl erhält, besteht immer noch das Verbot einer Zurückweisung in den Herkunftsstaat (Refoulement-Verbot), da ihm dort ein ähnliches Schicksal wie seinem Onkel - nämlich die Todesstrafe - droht.

Das bestätigt auch der Irak-Experte Walter Posch vom Institut für internationale Politik und Sicherheit in Berlin. "Es gibt noch genügend Leute im Irak, die mit den Angehörigen der Familie abrechnen wollen", sagt er zur "Wiener Zeitung". Die Lage im Irak sei weiterhin sehr angespannt, auch wenn "die Menschen mittlerweile schon besser unterscheiden können, wer was verbrochen hat". N. dürfte nicht zu den großen Fischen gehört haben: "Mir ist er in der Fachliteratur noch nie untergekommen", sagt der Experte. Und zur Gefährdung in Österreich sagt er: Auch wenn in Traiskirchen wohl "nicht Massen von Agenten sitzen", sei es doch sinnvoll gewesen, N. zu trennen. 2011 beantragten 484 Iraker Asyl in Österreich - sie sind damit in der Statistik an fünfter Stelle.

Eine Tatsache macht der Fall jedenfalls deutlich: Das Asylrecht gilt für alle gleichermaßen, auch wenn sie zur herrschenden Elite einer Diktatur gehört haben.