)
Burenwurstsouffle an SenfgurkerlMousseline gefällig? | Mit Physik und Chemie geht alles. | Wien. Ferran Adria ist der Bekannteste und tut es schon seit rund zwölf Jahren, Homaro Cantu und Heston Blumenthal zählen gemeinsam mit ihm heute zu den bedeutendsten Könnern des Fachs und neuerdings tut es auch Bernie Rieder im "das Turm" in Wien: Sie und mit ihnen immer mehr Experimentierfreudige kochen molekular.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Längst lassen sich nicht nur Spitzenköche von Wissenschaftlern wie Harold McGee, Herve This-Benckhard und Thomas A. Vilgis zu neuen Gerichten inspirieren, wer den Begriff "Molekularküche" googelt, stößt auf eine Gemeinde, die sich fast schon obsessiv mit dem Thema befasst. Da teilt etwa "kochkünstler" auf chefkoch.de mit, dass er das Eigelb aus Rotbusch hergestellt hat, der Bananensaft aber etwas dickflüssig wurde, "mbs" verrät, dass sich Sojalecithin an sich schon für Süßspeisen eignet, diesen aber einen leichten Fischgeschmack verleiht, und "nova-kuirejo", dass auch größere Sphären möglich sind, wenn man das Alginat zuvor warm verrührt und über Nacht in den Kühlschrank stellt.
Mit Esoterik hat dies ebensowenig zu tun wie mit alternativer Ernährung, sondern mit spannenden Erkenntnissen aus der experimentellen Physik und Chemie. Nun ist zwar jeder Kochvorgang ein physikalisch-chemischer Prozess an sich, hier geht es aber um die Veränderung von Texturen und Eiweißverbindungen durch mechanische Einwirkungen - wie etwa das Erzeugen von Espumen (Schäumen) durch Atmosphärendruck aus einem Siphon -, Temperaturen oder die Verwendung unüblicher Zusatzstoffe, über die das Kochgut jeden nur möglichen Geschmack und jede Form annehmen kann.
Mit diesem Wissen stellt Bernie Rieder zum Beispiel flüssige Mozzarellabällchen und sphärische Oliven ebenso wie Nudeln aus Kürbis- und Traubenkernöl oder ein Beef Tatar im Gelee seiner eigenen Kraftsuppe her. Aber dieses Wissenund Können muss man natürlich erst einmal haben.
Wieso etwa benötigt man zur Zubereitung von Melonenkaviar eine Kalziumchloridlösung und wie stellt man diese her?- Ganz simpel: 2,5 Gramm Kalziumchlorid in 500 Milliliter Wasser mengen und in ein flaches Gefäß geben. Den aus Melone, Alginat und Natriumcitrat gemixten Saft in vier Injektionsspritzen ohne Nadel füllen und über die Lösung hängen, so dass der Saft tropfenweise hinein fallen kann. Eine Minute in der Lösung fest werden lassen, Melonenperlen in ein Sieb geben, mit kaltem Wasser gründlich spülen und abtropfen lassen (Rezept des Users "Blizz").
Wer so weit gekommen ist, weiß längst, dass man lediglich einen Tropfen Eigelb pro Liter Öl benötigt, um eine Mayonnaise nach Herve This-Benckhard zu schlagen. Sogar diese geringen Menge steuert genügend Emulgatoren bei.
Für einen Schweinsbraten mit Senfkruste wiederum "ist es ratsam, einen grobkörnigen Senf zu nehmen, da die groben Körner die Ofenhitze besser aushalten - und kein Röststoff ist dem Wundermittel Senf chemisch gewachsen", rät etwa Thomas Vilgis, Physikprofessor am Max Planck-Institut für Polymerforschung und Hobbykoch in seinem Buch "Die Molekül-Küche" (Hirzel Verlag).