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Hypo-Ausschuss im Weißwaschgang

Von Carl Baudenbacher

Gastkommentare

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Die parteifreie Bundespräsidentschaftskandidatin Irmgard Griss hat die Leitung der nach ihr benannten Hypo-Kommission als die bisher schwierigste Aufgabe in ihrem beruflichen Leben bezeichnet. Tatsächlich stellt der Griss-Bericht vom Dezember 2014 ein Novum in der jüngeren Geschichte der österreichischen Politik dar. Er hat zum einen das Versagen fast aller Akteure aufgedeckt. Zum anderen hat der Bericht aber auch eine Methode zur Feststellung politischer Verantwortung entwickelt.

Wenn, wie im Fall Hypo Alpe Adria, Handlungen privater und staatlicher Organe zu Verlusten geführt haben, so lautet die zentrale Frage, ob die relevanten Entscheidungen mit der notwendigen Sorgfalt vorbereitet worden sind. Dazu gehört insbesondere, dass die handelnden Akteure gestützt auf eine der jeweiligen Situation angemessene Informationsgrundlage entschieden haben. Wenn sie diesen Nachweis erbringen, so ist ihnen auch dann nichts vorzuwerfen, wenn die Sache schiefgegangen ist. Im Gesellschaftsrecht bezeichnet man das als "Business Judgment Rule."

Im Fall der Hypo Alpe Adria kam diese Regel im Zusammenhang mit dem aggressiven Kurs der Kärntner Jahre (1999 bis 2007) a priori nicht zur Anwendung. Die unverantwortliche Expansion war nur möglich, weil exorbitante Landeshaftungen bestanden. Es gab also nicht nur kein adäquates Verfahren, sondern überhaupt keines.

Nach der Übernahme der Bank durch die BayernLB im Jahr 2007 bestanden die Landeshaftungen fort. In den nachfolgenden Phasen - Verstaatlichung, Debatte um die Einrichtung einer "Bad Bank," Beihilfeverfahren vor der Europäischen Kommission und Aufarbeitung der Vergangenheit - wäre hingegen eine Berufung auf die "Business Judgment Rule" grundsätzlich möglich gewesen. Sie scheiterte aber daran, dass in keiner Phase eine angemessene Informationsgrundlage vorhanden war.

Aufarbeitung der Vergangenheit als Selbstzweck

Obwohl ausreichend Zeit gewesen wäre, verfügte der damalige Finanzminister Josef Pröll im Dezember 2009 bei der Verstaatlichung der Hypo über kein Strategiepapier, das Alternativen aufgezeigt hätte. Seine Dienste hat so etwas nicht geliefert. Er war damit dem Druck der professionell vorbereiteten Bayern hilflos ausgeliefert.

Auch Prölls Nachfolgerin Maria Fekter hatte nach der Verstaatlichung keinen situationsadäquaten Plan. Die Empfehlung der EU-Kommission, eine "Bad Bank" einzurichten, schlug sie deshalb in den Wind, weil das die Staatsschuld erhöht hätte; man muss von Bilanzkosmetik sprechen. Das Beihilfeverfahren in Brüssel wurde mit der linken Hand betrieben. Andere EU-Staaten, welche ihre Banken retteten, zeigten hier einen ganz anderen Einsatz.

Schließlich wusste die Republik auch nicht recht, was sie mit der nunmehr ihr gehörenden Bank anfangen wollte. Zwar bestand offiziell die Meinung, dass sie auf Erfolgskurs gebracht werden sollte. Tatsächlich wurde aber die Aufarbeitung der Vergangenheit zum Selbstzweck. Geschäftsabläufe wurden durch laufende Interventionen von Beamten behindert; und dass eine lebende, fortzuführende Bank gezwungen wurde, die Aufarbeitung der Vergangenheit in ihren Unternehmenszweck aufzunehmen, ist wohl international einmalig.

Wohlwollen endete mit Bekanntgabe der Kandidatur

Nach der Vorstellung des 344 Seiten starken Griss-Berichts im Dezember 2014 waren nicht nur die Medien des Lobes voll. Auch die Spitzenpolitiker aller Parteien konnten nicht umhin, Griss und ihren Mitstreitern aus Deutschland und der Schweiz zu danken. Politische Konsequenzen wurden allerdings nicht gezogen. Stattdessen wurde ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Das Wohlwollen der Partitokraten änderte sich schlagartig, als Griss ihre Präsidentschaftskandidatur bekanntgab. Zunächst wurde eine künstliche Aufregung darüber inszeniert, dass die Griss-Kommission ihre internen Aufzeichnungen (keine Hypo-Akten!) entsorgt hatte. Die - nicht zum Erscheinen und nicht zur Wahrheit verpflichteten - Auskunftspersonen hatten freilich im Vertrauen darauf ausgesagt, dass ihre Ausführungen nicht öffentlich gemacht würden. Dieses Vertrauen war zu schützen.

U-Ausschuss gewann keine nennenswerten Erkenntnisse

Auch auf Griss’ Kritik an der Arbeit des Untersuchungsausschusses wurde ungnädig reagiert. Nennenswerte Erkenntnisse hat das Gremium allerdings nicht gewonnen. Es scheint nicht einmal die eingangs beschriebene Untersuchungsmethode zu beherrschen. Ex-Finanzminister Pröll ist mit dem platten Spruch, die Verstaatlichung sei "alternativlos und richtig" gewesen, davongekommen, ohne dass ihn jemand nach der Grundlage für diese Bewertung gefragt hat.

Gleiches gilt für die Einlassungen des Nationalbankgouverneurs Ewald Nowotny, des Mastermind der Verstaatlichung, ohne Verstaatlichung wäre die Hypo im Dezember 2009 in die Insolvenz geschickt worden. Auch Maria Fekter konnte die ihr gebotene Bühne ungehindert für zahllose aktenwidrige Feststellungen nutzen. Andere Protagonisten kamen mit der Behauptung davon, immer dort dabei gewesen zu sein, wo es angebliche Erfolge zu feiern gab, aber nie bei Vorgängen, die desaströse Folgen hatten.

Als die Griss-Kommission im Frühjahr 2014 ihre Arbeit aufnahm, mutmaßten Vertreter des politischen Establishment, sie werde ein "Weißwaschungsrat" sein. Das hat sich nicht bewahrheitet. Als "Weißwäscher" hat sich vielmehr der parlamentarische Untersuchungsausschuss erwiesen. Bei der Einvernahme der Hauptprotagonisten wurde versucht, die Erkenntnisse der Griss-Kommission auf den Kopf zu stellen. Niemand hatte die Größe, sich hinzustellen und Fehler einzugestehen. Die Hypo-Geschichte hat die Republik Österreich Milliarden gekostet, und sie ist noch nicht zu Ende. Die Parteien haben erfolgreich verhindert, dass ihre Protagonisten zur Verantwortung gezogen werden.