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Komplexe Causa um Firmengeflecht in Liechtenstein. | 5,6 Millionen Euro Schaden oder 100 Millionen Euro Gewinn pro Jahr? | Wien. Noch bevor kommende Woche der erste Strafprozess in der Causa Hypo Alpe Adria startet, bahnt sich eine weitere Anklage in Zusammenhang mit dem Bank-Skandal an. Zunächst wird der neue Fall jedoch zur Chefsache - und im Justizministerium auf Herz und Nieren geprüft.
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Ein Ministeriumssprecher bestätigte am Montag auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass es einen sogenannten Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Fall Hypo gebe. Dieser liegt derzeit bei der Oberstaatsanwaltschaft und geht in Kürze ans Ministerium. Man sei vorinformiert worden, so der Sprecher. Genaueres - etwa zur Dauer der Prüfung - könne man erst sagen, wenn der Bericht tatsächlich im Ministerium eingetroffen sei.
Üblicherweise entscheidet die Staatsanwaltschaft eigenverantwortlich, ob sie Anklage erhebt oder nicht. In bestimmten Fällen muss sie sich jedoch ihre Entscheidung vorab absegnen lassen. Der Vorhabensbericht wird nicht vom Ministerium - das letztlich über ein Weisungsrecht verfügt - angefordert, sondern muss beim Vorliegen bestimmter Kriterien automatisch verschickt werden.
Im konkreten Fall ist dies einerseits das hohe öffentliche Interesse, andererseits jedoch die juristische Komplexität. Wie die "Wiener Zeitung" aus gut informierten Kreisen erfahren hat, will die Staatsanwaltschaft Klagenfurt kein Verfahren einstellen, sondern tatsächlich Anklage erheben - und zwar gegen vier Beschuldigte in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung der Hypo-Leasing im Jahr 2004. Da hier einige komplizierte Fragen des Aktienrechts zu beantworten sind, will man sich vorher absichern.
Hypo finanzierte selbst
Die Hypo Leasing Holding hat im Juli 2004 - über die Hypo International - Vorzugsaktien für 100 Millionen Euro an Investoren verkauft. 55 Millionen Euro davon erwarb eine Firma namens BC Holding AG (heute Best Invest Holding), wobei der Kauf per Kredit von der Hypo-Tochter in Liechtenstein finanziert wurde - über mehrere zwischengeschaltete Gesellschaften.
Einerseits ermittelt die Justiz wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung: Die Hypo hätte das selbst finanzierte Kapital möglicherweise nicht als Kernkapital verbuchen dürfen. Andererseits besteht der Vorwurf der Untreue: Laut einem Gutachten der Staatsanwaltschaft, aus dem der "Standard" zuletzt zitiert hat, ist der Hypo aus Honoraren, Dividenden und dem Rückkauf ein Schaden von rund 5,6 Millionen Euro entstanden. Das Gutachten erhebt - unter anderem - Vorwürfe gegen die ehemaligen Hypo-Vorstände Wolfgang Kulterer und Günter Striedinger sowie gegen den Steuerberater Hermann Gabriel und den Anwalt Gerhard Kucher - für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Zwei Gegengutachten
Best-Invest-Chef Kucher bezeichnet eine mögliche Anklageerhebung als "durch nichts gerechtfertigt". Das Gutachten der Staatsanwaltschaft würde "fundamentale Fehler" aufweisen, so Kucher zur "Wiener Zeitung". Zwei Gutachten von Experten der Universität Wien und der WU Wien kämen zu der Auffassung, dass die Kapitalerhöhung gesetzeskonform durchgeführt wurde. Betrachte man das - dank des frischen Kapitals - zusätzlich mögliche Geschäftsvolumen und die Refinanzierungsvorteile, habe die Bank Zusatzerträge von 100 Millionen Euro pro Jahr lukriert. Ähnlich argumentiert Hermann Gabriel. Wolfgang Kulterer will, solange keine Anklage vorliegt, keinen Kommentar abgeben. Er hat aber - ebenso wie Günter Striedinger - in der Vergangenheit jegliches Fehlverhalten immer bestritten.