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Bei der Hypo-Verstaatlichung am 14. Dezember 2009 ging es um Landeshaftungen und mögliche Staatspleiten am Balkan.
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Wien. "Wir sind nicht so neger wie man glaubt, das schreiben zu müssen", sagte der damalige Landeshauptmann Kärntens, Gerhard Dörfler, in der ihm eigenen Art am 15. Dezember 2009. Am Tag davor war die Hypo Alpe Adria nach einer Krisensitzung mit den Bayern verstaatlicht worden. Dörflers Satz ist nicht nur dreist, sondern beschreibt exzellent die Ahnungslosigkeit der damaligen Kärntner Landesregierung.
Im März 2014 ist vieles bekannt, was damals passierte, und die heutigen Oppositionspolitiker verlangen einen Untersuchungsausschuss, um die damalige Verstaatlichung und die Verantwortung dafür aufzuklären. Ob sich im Dezember 2009 Finanzminister Josef Pröll über den Tisch ziehen ließ? Ob der damals schon amtierende Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny ein Angsthase gewesen ist?
Mit der Weisheit des Rückblicks mag es so erscheinen, doch Fakt war, dass sich im Dezember 2009 alle Welt vor den Auswirkungen der am Beginn stehenden Euro-Krise gefürchtet hat. Die Entscheidungen in der Dezembernacht fielen nicht auf Basis eines existierenden Euro-Rettungsschirms, sondern unter dramatischen Umständen. "Wir wussten damals nicht, wohin alles führt und ob die Eurozone auseinanderbrechen wird", sagte ein involvierter Spitzenpolitiker. "Es gab beruhigende Statements, aber in Wahrheit hatten wir keine Ahnung wie es weitergeht."
Österreich als Dominostein
Für Österreich galt dies im Besonderen: Das hohe Engagement Österreichs, vor allem der Banken, in Osteuropa galt plötzlich als Risiko. Was bis 2008 eine ungeheure (und profitable) Erfolgsstory war, drehte sich ins Gegenteil.
Am 13. Dezember rief der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, seinen Kollegen Ewald Nowotny an und warnte vor einer Insolvenz der Bank. Er sprach von Domino-Effekten: Im Dezember 2009 war Griechenland weltweit Pleitekandidat Nummer 1, keine der späteren Hilfsmaßnahmen war auch nur angedacht. Serbien war bereits davon getroffen, einerseits wegen der Handelsverflechtungen, andererseits wegen der dort tätigen griechischen Banken. Eine Pleite der damals drittgrößten Bank Serbiens, der Hypo Alpe Adria, drohte auch Belgrad in den Pleite-Strudel zu reißen. Mit dem größten Land des Westbalkans wären auch die anderen Länder Ex-Jugoslawiens gefährdet. Da Österreich der größte Investor am West-Balkan war und ist, würden diese Ausfälle direkt auf andere Banken und das Triple-A-Land Österreich durchschlagen - und zwar massiv.
Was Trichet nicht wusste: Die Hypo Alpe Adria hatte in den Jahren davor (vor dem Verkauf an die Bayerische Landesbank im Mai 2007) die Expansion am Balkan ausschließlich mit Haftungen des Landes Kärnten finanziert. Die Hypo verfügte über geringe Spareinlagen und hatte mit dem Land Kärnten einen Eigentümer, der das Eigenkapital nie und nimmer aufbringen konnte. Aber ein Bundesland der Republik Österreich ist mit guter Bonität ausgestattet. Also startete der damalige Landeshauptmann Jörg Haider den Haftungs-Reigen - und zwar im stillen Kämmerlein.
Gier und Leichtsinn
Bis 2004 gab es in den Rechnungsabschlüssen des Landes keinen Hinweis auf die Höhe dieser Haftungen, und auch dem Landtag wurden sie nie bekanntgegeben. Erst nach einer dringenden Warnung des Landesrechnungshofes tauchten sie auf. Die Haftungen starteten - wie unveröffentlichte Kärntner Ausschuss-Unterlagen, die der "Wiener Zeitung" vorliegen, belegen - 1991 mit 830 Millionen Schilling (60 Millionen Euro). 2004 lagen sie bereits bei 15 Milliarden Euro, und sie sollten am Höhepunkt 2006 auf 24,7 Milliarden Euro klettern.
Am 14. Dezember 2009 war Pröll und Nowotny klar, dass die Landeshaftungen schlagend würden, wenn der West-Balkan pleiteginge. Die Regierung zog die Notbremse.
Jörg Haider, der zu diesem Zeitpunkt seit knapp einem Jahr tot war, vermeinte in den Jahren davor das Perpetuum mobile erfunden zu haben, wie der Bericht des Grünen-Politikers Rolf Holub zum Untersuchungsausschuss in Kärnten 2011 erklärt.
"Die Konstruktion der österreichischen Hypos hat auf Landeshaftungen beruht. Zu dem Zeitpunkt, als ich die Hypo übernommen habe, war das eine relativ kleine Bank. Da hat ja das Land Kärnten in der damaligen Verfassung auch eine Insolvenz der Hypo überstanden ohne allzu große Probleme. Wirklich schlagend ist es geworden, wie plötzlich die Ergebnisse nach unten gegangen sind und die Haftungen explodiert sind. Aber solange die Ergebnisse immer besser geworden sind, war das einzige Thema: Wie kriegt das Land Geld aus der Haftung? Aber die Höhe der Haftung - es war ja eine unbegrenzte Haftung", formulierte es der Industrielle und Hypo-Aufsichtsratspräsident der 1990er Jahre, Herbert
Liaunig, im Ausschuss.
Das vermeintliche Perpetuum mobile funktionierte so: Das Land haftete für die ungebremste Expansion mit Milliarden-Geschäften der Bank am Balkan. Die hatte wegen der Haftung keine Kapitalsorgen mehr, billigeres Geld gab es nirgends. Dafür bezahlte die Bank an das Land Haftungs-Provisionen, und die Landesregierung nahm das Geld gerne. Und Haider, der gerne persönlich Wohltaten in Kärnten verteilte, war auch dabei nicht zimperlich.
Land kassierte im Voraus
Der damalige Direktor des Landesrechnungshofes, Reithofer, sagte 2011 im U-Ausschuss, dass die "Provisionszahlungen auf Vereinbarungen zwischen dem Land und der AG beruhten, (. . .) wobei Vorauszahlungen vereinbart wurden und 2003 rund 24 Millionen Euro als Vorauszahlung für 2004 und 2005 dem Land zugeflossen sind. 2004 habe es weitere Vorauszahlungen für 2005 bis 2010 gegeben. Dabei handelte es sich um einen abgezinsten Betrag in einer Größe von rund 28 Millionen Euro. Vorauszahlungen von rund 50 Millionen Euro habe es 2000 bis 2004 gegeben; 2005 und 2006 seien Zuweisungen von 5,7 Millionen Euro und 9,8 Millionen Euro dem Land zugeflossen. Vorläufig sind für 2007 13 Millionen Euro und für 2008 17 Millionen Euro geflossen. Insgesamt sind 117,9 Millionen Euro an Haftungsprovisionen dem Land zugeflossen."
Das Geld floss ins Landesbudget und ist längst weg - eines der Probleme der jetzigen Landesregierung. Es wedelte der Schwanz mit dem Hund, denn die Haftungen, für die Provision kassiert wurde, überstiegen das Landebudget um das Zehnfache. Es ging bei den Haftungen immer nur um Ertrag. Das Risiko aus dadurch ermöglichten Geschäften wurde weder von der Landesregierung noch der dazwischen geschalteten Landesholding, geprüft. 2014 kennen wir das Risiko annähernd: zehn Milliarden Euro.
Kärntens Politiker mussten aber bereits 2003 erkennen, dass es mit der Herrlichkeit bald vorbei sein würde. Die EU verbot derartige öffentliche Haftungen ab 2007, da sie Aktienbanken benachteiligte, die Dividenden zahlen und nicht grenzenlos über Kapital verfügten. Und bis spätestens 2017 müssen diese Haftungen getilgt sein. Die Antwort der damaligen Kärntner Landespolitiker auf die EU-Vorgaben: 2006 wurden - auf Vorrat - Anleihen der Hypo mit Landeshaftung begeben, um das Wachstum über 2007 hinaus zu sichern.Die aggressive Expansion unter Hypo-Chef Kulterer in Osteuropa in den 2000er Jahren forderte seinen Tribut: Die Ausfälle stiegen, vorerst in einer Tochter verschleiert.
Haftung erhöhte Kaufpreis
Auch das Risikomanagement des Eigentümers ab 2007 BayernLB bekam die Hypo nicht in den Griff. Wobei in München mitschwang, dass es ja ohnehin eine üppige Landeshaftung Kärntens gab. Denn der von der Investmentbank Rothschild festgestellte Kaufpreis 2007 in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für 57 Prozent an der Hypo Alpe Adria wird nur dann verständlich, weil trotz Rückzug des Landes auf 16 Prozent an der Bank die Haftung hundertprozentig erhalten blieb. Das bestätigte auch der Leiter der Finanzabteilung des Landes Kärnten, Horst Felsner am 24. Oktober 2011: Auf die Frage "Hätte das Auswirkungen auf den Kaufpreis gehabt", sagte er: "Das hätte sicherlich Einfluss auf den Kaufpreis gehabt."
Schon 2004 war das Landesbudget chronisch überlastet, wieder mussten die Hypo und die Haftungen dafür herhalten. Das Land begab eine sogenannte Nullkupon-Anleihe über 500 Millionen Euro, die 2008 mittels Börsegang der Hypo zurückzuzahlen war. Wie schon bei den Haftungsprovisionen machte Jörg Haider mit einer verblüffenden Skrupellosigkeit weitere Vorgriffe auf die Zukunft: Mit dem Erlös der Anleihe wurde 2005 der Zukunftsfonds eingerichtet. Daraus bezahlte Haider Wohltaten wie die von ihm persönlich und in bar ausbezahlten Heizkostenzuschüsse.
Versteckte Spekulationsverluste führten 2005 zum - mittlerweile bestätigten - Vorwurf der Bilanzfälschung. An einen Börsegang war nicht mehr zu denken. Tilo Berlin, Fondsmanager mit Kärntner Wurzeln, kam als Retter in der Not. Seine Investorengruppe (zu der auch Karl Heinz Grasser gehören soll) kaufte sich 2006 in die Hypo ein. Die Anteile wurden wenige Monate später mit 150 Millionen Euro Gewinn an die BayernLB verkauft. Das risikolose Geschäft ermöglichte Kärnten mit seinen Haftungen, der Deal ist längst gerichtsanhängig.
Das Gespräch am Bauerhof
Am 15. Februar 2007 sprach Landeshauptmann Haider in Tilo Berlins Bauernhof "Klockerhube" auf dem Ulrichsberg mit dem damaligen BayernLB-Chef Werner Schmidt, ein Freund Berlins. Was wurde dort besprochen? Dass Schmidt die Landeshaftungen dabei nicht ansprach, wird von Bankern als "undenkbar" bezeichnet. "Wenn ich einen Preis für etwas bekomme, wofür ich nach wie vor hafte, ist diese Entscheidung für mich schon zu hinterfragen", sagte Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina später.
Am 22. Mai 2007 verkaufte das Land die Bank mit allen Haftungen an die Bayern - die SPÖ stimmte dagegen. Es folgten Finanzkrise und horrende Verluste. Im Dezember 2009 fehlten 2,1 Milliarden. Die BayernLB, selbst nur mit einem Hilfspaket ihres Freistaates gerettet, wollte die Hypo um jeden Preis loswerden.
In der Nacht von 13. auf 14. Dezember 2009 wurde die Bank von Finanzminister Pröll verstaatlicht. Es war eine Nacht von Sonntag auf Montag. Ohne Einigung hätte die Hypo am Montag die Bankfilialen nicht mehr aufsperren dürfen. Am 15. Juni 2011 sagte der Chef der Finanzprokuratur, Peschorn: "Unserer Einschätzung nach hätte das Schlagendwerden der Landeshaftungen dazu geführt, dass das Budgetdefizit in eine Höhe geschnellt wäre. Ende des Jahres 2009 war es ein klares Muss, die Sache zu machen."