Wer 10.000 Leute freisetzt, bekommt einen Bonus. Wer zum Wohle der Mitarbeiter trickst, wird wegen Untreue verurteilt.
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Neuerlich hörte ich in einem deutschen Privatsender, wie ein Kommentator Österreich als die "korrupte Nation" bezeichnete, und da erinnerte ich mich daran, was mir vor etwa einem halben Jahrhundert ein Betriebsrat der Vöslauer Kammgarn erzählte: "Wenn uns die Arbeit ausgeht, packt der Alte sein Kofferl, setzt sich in den Flieger nach Moskau, schenkt der Frau des Ministers ein Goldketterl oder einen Pelz, bekommt einen Auftrag - und wir haben wieder eine Arbeit!" Zeiten und Sitten haben sich geändert: Dem Generaldirektor wäre heute der Staatsanwalt auf den Fersen!
Da gab es neulich eine Magistra Monika Rathgeber, die angeblich 340 Millionen Euro Landesgelder verspekulierte. Die Nation und die politische Führung gerieten in Panik. Experten, die vom Bankgeschäft so viel verstehen wie ein Esel vom Trompetenblasen, verlangten: Schluss mit der Spekulation von Steuergeldern und vielem anderen.
Wenn heute ein Vorstandschef 10.000 Leute freisetzt, steigen die Aktienkurse des Konzerns, und er bekommt eine Bonifikation! Und die Arbeitsmarktverwaltung bekommt die Arbeitslosen zur Umschulung!
Ich kenne einen Generaldirektor, dessen Eigentümer in argen Finanznöten waren, weil Großbetriebe ihre Belegschaften reduzierten. Er versuchte, den Eigentümern mit fragwürdigen Tricks zu helfen, und wurde dann nicht wegen übertriebener Treue, sondern Untreue verurteilt.
Die Österreicher bedauern, dass "Solidarität" nur noch der Name einer ÖGB-Zeitung ist und Egoismus und Neid heutzutage wuchern. Die Medien formen die gesellschaftliche Atmosphäre, Missmanagement, Skandal, Korruption servieren sie als tägliche Kost ihren Lesern, Zusehern und Zuhörern. Und die Gerichte setzen dann die Normen.
Während der 1920er erfanden deutsche Juristen den Tatbestand der Untreue, und in der Tat gibt es Fälle, in denen höchste Treue als Untreue verurteilt wird. Wenn ein Manager oder eine Managerin mit zweifelhaften Tricks in die eigene Tasche wirtschaftet, hat er oder sie im Gefängnis zu landen. Hat er oder sie sich aber nur für den Eigentümer oder seine Belegschaft zu weit vorgewagt, dann sollte es doch ein außerordentliches Milderungsrecht geben, dreimal so gewichtig wie die Unbescholtenheit.
Das wäre ein Vorschlag eines Diplomkaufmannes, also eines Schmalspurjuristen, und ist vielleicht realitätsfern. Aber es ist auch der Vorschlag eines Sozialwissenschafters, des Obmanns der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS), der ganz gut weiß, wie das Volk denkt und fühlt, wie es indoktriniert, gemanagt wird und wie absurde Normen geschaffen werden.
So dürfte dieser Vorschlag doch nicht so ausgerissen sein, wie er manchen vorkommen mag.