Julian H. sagte im Ibiza-Untersuchungsausschuss aus. Er sieht sich als Opfer einer Verschwörung.
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Politisch gelenkte Ermittlungen, Einschüchterungsversuche und Drohungen gegen seine Person: Als Opfer einer Verschwörung präsentierte sich Julian H. am Donnerstag im Ibiza-U-Ausschuss. Der mutmaßliche Drahtzieher des Ibiza-Videos zweifelt daran, in Österreich ein faires Verfahren zu bekommen. "Es ist schwer zu glauben, dass Österreich ein gefestigter Rechtsstaat sein soll", sagte er.
H. wurde Anfang März nach Österreich ausgeliefert und befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird unter anderem wegen Erpressung und Drogendelikten ermittelt, H. bestreitet die Vorwürfe. Als Auskunftsperson im Ausschuss gab er nun an, das Video lediglich aus höheren Motiven erstellt zu haben. Geld habe für ihn nie eine Rolle gespielt.
Die Idee für das Ibiza-Video sei ihm selbst gekommen, erklärte er. Weiters seien in die Produktion der Wiener Rechtsanwalt M. und die vermeintliche Oligarchen-Nichte involviert gewesen. Hintermänner und Auftraggeber habe es aber nicht gegeben, ebenso wenig Einflussnahmen durch Nachrichtendienste.
Sein Ziel sei gewesen, ein Sittenbild des österreichischen politischen Systems zu zeichnen. "Das Video sollte die seit jeher vorliegenden Vorwürfe objektiv dokumentieren – Einflussnahmen und Käuflichkeit in der Republik", sagte er. "Was ich gemacht habe, war eine notwendige Aktion."
Denn eigentlich hätte es "das Ibiza-Video nicht geben müssen". Nämlich dann, wenn die Polizei die Vorwürfe des Ex-Leibwächters von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache verfolgt hätte. Der Ex-Leibwächter soll belastendes Material über Strache gesammelt und im Jahr 2013 etwa Fotos von Geldtaschen in Straches Auto angefertigt haben.
Doch habe die Polizei bei den Vorwürfen gegen Strache "bewusst weggesehen", meinte der Mann. Daher sei es notwendig gewesen, die Vorwürfe von Straches Ex-Leibwächter mit dem Ibiza-Video zu untermauern.
"Video wurde nicht verkauft"
Um die Aufklärung zu ermöglichen, habe er persönliche Opfer in Kauf genommen. Monetäre Motive habe er nie verfolgt, sagte H.: "Das Video wurde nicht verkauft, obwohl es hochdotierte Angebote gab." Die meisten Angebote seien von Akteuren aus dem Glücksspielsektor und aus dem Umfeld der Protagonisten des Videos gekommen. Doch habe er es als "illegal eingeschätzt", das Video zu verkaufen. Auch seien die Angebote mit "deutlichen Drohungen gekoppelt" gewesen und "ich lasse mich nicht gerne bedrohen".
Dass finanzielle Gründe bei H. keine Rolle gespielt haben, stellte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker infrage. Er konfrontierte H. mit mehreren Chatnachrichten. H. soll von einem Mann ein Darlehen bekommen haben. Als dieser schrieb, das Darlehen werde nun fällig, soll H. geantwortet haben, er erwarte demnächst Geld vom Nachrichtenmagazin "Spiegel". H. entschlug sich dazu, hielt aber nochmals fest, dass er kein Geld erhalten habe. Auch der "Spiegel" – er hat gemeinsam mit der "Süddeutschen Zeitung" exklusiv über das Video berichtet – erklärte, kein Geld für das Video gezahlt zu haben.
Verfahrensrichter Ronald Rohrer führte aus, dass im Ausschuss mehrere Personen angegeben haben, es habe Versuche des Anwalts M. gegeben, das Ibiza-Video zu verkaufen. H. antwortete, er sei daran jedenfalls nicht beteiligt gewesen: "Ich habe es niemandem zum Verkauf angeboten."
SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer wollte von H. wissen, ob es noch weitere Videos von Politikern in verfänglichen Situationen gebe. Denn H. hatte im deutschen Wirecard-Ausschuss angegeben, er habe davon gehört, dass ein Video mehrere österreichische Politiker in einem Club beim Drogenkonsum zeigen soll. H. wollte sich dazu nun aber nicht mehr äußern und entschlug sich der Aussage.
Medien und Außerirdische
Mit den Ermittlern ging H. hart ins Gericht. Das Verfahren gegen ihn sei politisch gesteuert und werde von einer Gruppe handverlesener Ermittler geführt. Auch könne man beobachten, "wie genehme Medien mit Akten aus dem Verschlussakt gefüttert werden". Es werde das Bild einer kriminellen Verschwörung gezeichnet, und dieses werde mittels einer Medienkampagne aufrechterhalten. Übereifrig werde daran gewerkt, ihn mundtot zu machen.
Inhaltlich brachte die Befragung am Donnerstag kaum neue Erkenntnisse. H. gab an, schon beim ersten Treffen mit dem FPÖ-Politiker Johann Gudenus habe er dessen Korruptionsbereitschaft wahrgenommen. Einen Tag vor der Erstellung des Videos habe Gudenus ihm auch auf Ibiza erklärt, er habe Hinweise aus dem ÖVP-Umfeld bekommen, wonach "uns irgendjemand mit einem Video hereinlegen wird". An diesem Abend habe Gudenus auch über viel Belangloses geredet – so etwa über seinen Glauben an Ufos und an Außerirdische, über den man als Politiker aber öffentlich nicht reden dürfe, sagte die Auskunftsperson.
Anwalt im Fokus
Für Unmut sorgte die Vertrauensperson von H., Rechtsanwalt und Ex-Nationalratsabgeordneter Alfred Noll. Mehrmals beklagten sich Abgeordnete, dass Noll aktiv in die Befragung eingreife und sich an den Zeugen wende, was laut Geschäftsordnung nicht zulässig ist. Auch soll Noll, nachdem FPÖ-Fraktionssprecher Christian Hafenecker gesagt hat, man sei ja nicht dumm, gemurmelt haben: "Naja . . ."
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um 15:50 aktualisiert.